Reinhold Burger

Röntgen, Dewar- oder die

Thermosflasche

von Norbert Zielinski
Die erste Glasinstrumentenfabrik ihrer Art in Berlin, gegründet 1894, beschäftigte vor dem ersten Weltkrieg ca. 40 Mitarbeiter.

In Amerika die Selbstständigkeit gelernt.
Der 15jährige Reinhold Burger absolvierte seine Lehre in Berlin bei der Firma C.A.F. Geissler & Sohn. Danach war er als Glastechniker bei Siemens & Halske tätig. Die vor dem 1. Weltkrieg guten wirtschaftlichen Beziehungen, auch von Siemens in die USA, regten Burger während zwei USA Aufenthalten an, seine physikalischen und Fertigungskenntnisse zu vertiefen. Der Anlass der ersten Reise diente im Wesentlichen dazu, um mit einem Partner eine Thermometerfabrik in den USA zu gründen. Auf der zweiten Reise in die USA nahm er deshalb eine Vielzahl von Gerätschaften und Werkzeugen mit und hatte die Absicht, sich in Boston niederzulassen. Trotz schmalem Anfangskapitals gelang es beiden, eine Thermometerfirma zu gründen. Nach ca. zwei Jahren kehrte Reinhold Burger nach Berlin zurück. Er trat dann später in seinem Lehrbetrieb in Berlin als Teilhaber ein, gründete allerdings 1894 seine eigene Firma in Berlin in der Chausseestraße 2E. Dieser Betrieb, der im Kaiserreich gegründet wurde, überlebte den 1.Weltkrieg, erlebte die Weimarer Republik und das Dritte Reich, den 2. Weltkrieg und produzierte noch viele Jahre in der DDR. An Anfang produzierte er zunächst Thermometer und stellte dann im Wesentlichen Röntgenröhren und gläserne Vakuumanlagen her und hat auch die erste Röntgenröhre in Berlin überhaupt produziert. Diese wurde dann dem fachkundigen Publikum in der Urania vorgestellt. Er hatte im gesamten berliner Forschungsbereich eine Vielzahl von Kunden.
 

Das Patent der Thermosflasche

Zitat aus einem Interview von 1941:
„ Die Erfindung der Luftverflüssigung gab mir Gelegenheit, diese Isolierflasche weiterhin zu verbessern, die die Aufgabe hatte, die Licht- und Wärmestrahlung auf ein Mindestmaß zurückzuführen. Da diese und jene Flasche nicht den Anforderungen genügten, so prüfte ich in Ermangelung von flüssiger Luft die Brauchbarkeit der Gefäße mit heißem Wasser. Dabei kam mir der Gedanke, dass man stattdessen auch Getränke verwenden könnte. Ich nahm eine Reihe von mir hergestellter kleiner kugelförmiger Gefäße und füllte sie mit heißem Kaffee, Tee, Milch und dergleichen. Noch nach 24 Stunden waren die Getränke so gebrauchsfertig, als wären sie eben erst hergerichtet worden...”.

 Interview Reinhold Burger
Der aus München stammende Erfinder und
Eismaschinenfabrikant Carl Linde beauftragte
Reinhold Burger mit der Entwicklung und Herstellung
von gläsernen Isolierbehältern um die in der
Wissenschaft benötigte verflüssigte Luft von -194,5 °C
möglichst lange für die Versuche bereitzuhalten.

 

Werbung in Deutschland
 

Werbung in den USA
 

Die Die Grundlage für einen Isolierbehälter aus Glas schuf der schottische Physiker James Dewar, als er 1874 für physikalische Laborversuche ein Isoliergefäß entwickelte. Ziel war die Aufbewahrung von verflüssigten Gasen bei tiefen Temperaturen. Die ersten Gefäße waren zwei ineinander gesteckte Glasröhren, die am oberen Rand verkittet waren. Die Luft zwischen den Glasröhren pumpte er ab. Zum Aufbewahren von flüssiger Luft waren sie jedoch völlig ungeeignet. Reinhold Burger übernahm das Prinzip von Dewar's Isoliergefäßen, konstruierte sie um und fand eine Nutzung für Jedermann. In der Familie Burger wird heute noch davon erzählt, dass Reinhold Burger ca. 1898, anstatt mit dem teuren flüssigen Stickstoff seine Isoliergefäße zu prüfen, eines Tages mit heißem Wasser ausprobierte, wie lange dieser die Temperatur hielt. Dabei kam ihm die Idee, warum geht es nicht auch mit Tee, Kaffee… Hier kam ihm offensichtlich auch der Einfall für den Werbetext: hält kalt und heiß ohne Feuer - ohne Eis.

Bei vielen der ersten doppelwandigen Glasbehälter brachen die inneren Behälter aus dem oberen Halsansatz heraus. Da Reinhold Burger zu diesem Zeitpunkt nur die einfachsten Glassorten zur Verfügung standen, musste hier noch das richtige Maß der Glasdicke für die Stabilität gefunden werden. Die hohe thermische Ausdehnung der verwendeten Glassorten hat bei zu starker Glaswandung bei Kontakt mit heißer oder kalter Flüssigkeit den Halsansatz zum Springen gebracht. Um eine mechanische Entlastung des Halses zu erzielen, wurden im unteren Bereich des Innenbehälters kleine Astbest-Stützen eingebracht. Bei den ersten Versuchen war die Versilberung nicht beständig und blätterte nach geraumer Zeit wieder ab. Er musste viele Versuche machen um ein Rezept zu finden um eine haltbare und langlebige Versilberung herstellen zu können. Letztendlich war es ihm1903 gelungen, eine Isolierflasche für den alltäglichen Gebrauch mit einem stabilen Metallblechmantel zum Patent anzumelden. Das Patent hat die Nr. DRP-NR. 170057 des Kaiserlichen Patentamts. Im Folgejahr 1904 ließ er sich das Warenzeichen Thermosflasche schützen. 1906 wurden die Patente in den USA, England und Frankreich angemeldet. Auf der Weltausstellung 1904 in St. Louis, USA und 1906 in Mailand, Italien, bekam er eine Goldmedaille und ein Ehrendiplom. 1906 gründete Reinhold Burger die Thermosgesellschaft m.b.H. Berlin W. In der Werbung stand: „Thermosflaschen halten ohne Vorbereitung, ohne Chemikalien, heiße Getränke 24 Stunden heiss, kalte Getränke, auch an heißen Sommertagen, ohne Eis tagelang eiskalt. Unentbehrlich für Touristen, Reisende, Automobilisten, Radfahrer, Wassersport, Militärs, Luftschiffer, Forstbeamte, Jäger, Büro, Fabrikangestellte und alle Arbeiter.“ Weihnachten 1907 hatte das bekannte Kaufhaus KaDeWe in Berlin für das Weihnachtsgeschäft dieses besondere Geschenk in der Werbung. In den Folgejahren lief der Verkauf allerdings nicht hervorragend. R. Burger war eher Entwickler und Tüftler als Geschäftsmann. Deshalb verkaufte er 1909 diesen Geschäftsbereich an die eigens gegründete Berlin-Charlottenburger Thermosaktiengesellschaft. Durch die stattliche Summe von 495.000,00 Reichsmark wurde R. Burger, voller Stolz, der zweitgrößte Steuerzahler neben dem Zigarettenfabrikanten Herrn Gabatti in Berlin Pankow. Die Auslandsrechte wurden 1909 an die American Thermos Bottle Company in New York übertragen. Hier wurde auch das weltweite Namensrecht der „Thermosflasche“ an die amerikanische Firma mitverkauft. In diesem Rahmen wurde die damals größte komplette Fabrik der Welt in Connecticut in Norwich auf drei Hektar mit Gleisanschluss errichtet. Reinhold Burger hat den Aufbau der Fabrikation in den Vereinigten Staaten vor Ort von Anfang an mit seinen Kenntnissen begleitet. Die amerikanischen Fabrikarbeiter nannten ihn „ Professor“. Während des Aufbaus der Fabrikation hat R. Burger viele Maschinen und Geräte aus Deutschland geordert und sie in Connecticut in Betrieb genommen. Durch die besonders langen Arbeitstage während der beginnenden Industrialisierung in den USA trat nun die Thermosflasche von Herrn Burger aus Berlin in den Staaten ihren Siegeszug an und eroberte auch die Welt. Durch den allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang des 1. Weltkrieges ging es der Familie Burger wirtschaftlich von Jahr zu Jahr schlechter. Es wird heute noch von einem denkwürdigen Besuch 1921 von dem Direktor Walker der American Thermos Bottle berichtet, der die Familie Burger ins Hotel Adlon/Berlin zum Essen eingeladen hatte. Die Burger-Söhne erzählten viele Jahre noch von dem aufwändigen Ambiente und dem traumhaften Essen, während der Alltag zu dieser Zeit nur Kohlsuppe wiedergab. Herr Walker war mittlerweile Dollarmillionär, während Reinhold Burger durch den 1. Weltkrieg seinen wirtschaftlichen Besitz nahezu verloren hat. Da die Nachfrage und damit die Produktion auf ein Minimum zurück ging, wurde dann der Betrieb, der zunächst noch 20 Mitarbeiter hatte, 1926 auf einen Familienbetrieb reduziert und in das Wohnhaus der Wilhelm- Kuhr-Straße 3/Pankow verlagert. Hier war R. Burger bis 1954 noch tätig. Einer der Söhne betrieb unter den bekannten schwierigen Verhältnissen in der DDR noch bis 1981 diese Firma ( z. B. wurde der benötigte Sauerstoff über eine benachbarte Schlosserei bezogen). Obwohl diese Firma in den alten Bundesländern ein anerkannter Lieferant für den Forschungsbereich war, wurden ihm immer wieder von den offiziellen Stellen Steine in den Weg gelegt. Ein erfolgreicher Handwerksbetrieb passte scheinbar nicht in das offizielle Weltbild der DDR.
 

Etikett der Verpackung in den USA

Rechnung der Thermos Bottle Co.

 

Die Fabrik der American Thermos Bottle in Norwich Connecticut ca. 1925

Wissenschaft und Medizin

Reinhold Burger 1951 mit dem Enkel
Axel Burger, der diese Recherche
aktiv unterstützte.

Axel Burger Norbert Zielinski

In Zusammenarbeit mit Medizinern der Charite entstand z. B. der 1927 patentierte Kaltrotlicht- Bestrahlungsapparat sowie auch eine große Anzahl medizinischer Therapie- und Diagnosegeräte. Axel Burger berichtet über eine Bestellung aus dem Kreml-Krankenhaus Anfang der 30er Jahre für einen Kaltlicht- Bestrahlungsapparat aus der modernen deutschen Medizintechnik, der offensichtlich für Stalin bestimmt war. Als der erste russische Offizier nach Kriegsende den Betrieb überprüfte, war diese Bestellung für die nächsten Jahre für das Überleben des kleinen Handwerkbetriebs sehr hilfreich, da Berlin und der Bezirk Pankow unter russischer Kontrolle war. Um die Jahrhundertwende bemühte sich Reinhold Burger erfolgreich um die Patentierung und Herstellung einer verbesserten Röntgenröhre, Deutsches Reichspatent Nr. 129974 von 1901. Die Zusammenarbeit mit Conrad Röntgen, der erste Nobelpreisträger für Physik, beflügelte dieses Patent. Eine der originalen Röntgenröhren, mit denen Herr Röntgen persönlich experimentierte, ist heute noch in dem Burger-Museum in Glashütte/Baruth zu besichtigen. Die ab 1900 in verschiedener Ausführung gefertigten Röntgenröhren zeichnen sich u. a. auch durch eine bleihaltige Schutzschicht aus. Ein wesentlicher Punkt war die deutliche Reduzierung der Wärmeentwicklung. Hier in Berlin bei der Firma Reinhold Burger wurde die erste Serienproduktion für Röntgenröhren in der ersten Röntgenröhrenfabrik für Deutschland aufgenommen. Hierdurch war nun in der Medizin eine breite Anwendung möglich. Es gab Vertretungen in England und in Frankreich.
 

Röntgen-Röhren Prospektdeckel deutsch
 

Röntgen-Röhren Prospektdeckel französisch
 

Bei der Durchsicht der Korrespondenz fanden wir Briefe und Bestellungen aus aller Welt: 1933 im Oktober wurden 36 Röntgenröhren an die Firma Friedländer in Chicago ausgeliefert. Ferner finden wir Bestellungen aus New York von 1937, aus Berlin von 1902 des Instituts für Physik der Technischen Hochschule Charlottenburg, aus Berlin von 1901 von Siemens & Halske, aus Bombay von 1936. Conrad Röntgen bekam 1901 für die Entwicklung der Röntgenröhre den ersten Nobelpreis für Physik. Der Tüfftler Reinhold Burger hatte einige Patentrechtsstreite auszufechten, meldete aber immer wieder verschiedene Patente aus unterschiedlichen Bereichen an, z. B. auch ein Patent für ein Wurfspiel für Kinder oder für den Kfz-Bereich ein Zündkerzen-Prüfgerät.
 

Der Sohn H. Burger 1954 vor der Vitrine, die
heute noch im Museum in Glashütte/Baruth
zu besichtigen ist.

Ehrung

In Berlin wurde die Reinhold Burger Oberschule nach ihm benannt und die Stadt Berlin hat zu Recht an dem Haus Wilhelm-Kuhr-Str. 3 in Berlin Pankow eine Berliner Gedenktafel angebracht mit der Inschrift: „In diesem Hause wohnte und arbeitete von 1927 bis zu seinem Tode Reinhold Burger 12.01.1866 – 12.12.1954
Glasinstrumentenbauer und Inhaber zahlreicher Patente. Er erfand 1903 die Thermosflasche.“
Der Hauseingang in der Wilhelm-Kuhr-Straße 3
 
Ich bedanke mich bei Axel Burger für seine Unterstützung, ohne die dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre. Vielen Dank an Heinz Krohn und Günter Palm für die Film- und Fotoaufnahmen.

N. Zielinski