Der eigene Pelz von Markus Pristovsek


Es war wieder einmal der 24.12. und noch immer hatte Erich F. kein Weihnachtsgeschenk für seine Frau Helga. Am Geld lag es nicht, Erich F. war Steuerberater; er betrieb die zweitgrößte Kanzlei der Stadt. Allein an Zeit mangelte es. Oder besser gesagt an Ideen. Denn wenn er gewußt hätte, was er gerne hätte, dann wäre das Geschenk ein Sache von einer Stunde gewesen.

Doch nun irrte Erich F. zielos durch die Straßen der Stadt und suchte die Erleuchtung in Juweliergeschäften, Boutiquen und Kosmetiksalons. Doch nirgens war der Kitzel des Besonderen, des Extravaganten, des Außergewönlichen, jenes Geschenk, das auch nach fünfzehn Ehejahren noch die Überraschung ins Gesicht schreiben würde.

Es war schon halb drei, als Erich F. in einer Parfümerie ein Schild auffiel: «Vergessen Sie Ihre Pelz-Bodysuit!», stand da. «Tragen Sie Ihren eigenen. Wählen sie die Zeichnung, lassen Sie sich einen natürlichen Pelz wachsen. Ergebnis der NASA-Foschung. Exklusiv in diesem Geschäft.» Dazu war eine Abbildung eines völlig entblösten Modells, doch ihr Tigerfell verhüllte dennoch alles einigermaßen. Erich F. fand den Gedanken an seine Helga in solcher Gestalt anziehend. Also ging er hinein.

«Äh, sie haben dort ein Plakat im Schaufenster, mit, äh, der Tigerlady.»

«Sie sind interressiert?»

«Nein, ich dachte eher für meine Frau als Weihnachtsüberraschung.»

«Gerne. Sie kennen sie doch gut?»

«Wir sind fünfzehn Jahre verheiratet.»

«Sehr gut, dann füllen sie bitte den Fragebogen aus. Ich kümmere mich gleich wieder um sie.»

Erich F. wandte sich dem Formular zu. Blutgruppe, Größe, Gewicht, Rasse, Geschlecht waren auszufüllen, dazu Allergien, Asthma, Rheuma, Herz- und Kreislaufbeschwerden und sonstige Krankheiten. Dazu eine Genprobe, ein abgeschnittener Fingernagel, eine Schuppe, ein Haar. Da Erich F. seine Helga wirklich kannte, konnte er alle diese Felder schnell und mit gutem Gewissen ausfüllen, bis die Verkäuferin zurückkam. Er ging dann noch einmal kurz nach Haus und holte eine Haar aus ihrer Haarbürste.

«Oh, sehr schön. Dann folgen sie mir bitte. Wir haben hier einen Simulator, dort können wir das Aussehen simulieren und die Feinabstimmung machen. Sie haben doch ein Foto dabei?»

Erich F. nickte. «Sogar mehrere.»

«Sehr gut, stecken sie sie hier in den Scanner. Sie bekommen sie gleich wieder unbeschädigt zurück.»

Erich F. tat wie geheißen, während auf dem großen Wandbildschirm eine riesenhafte Sanduhr die Zeit verinnen ließ. Endlich war der Computer fertig.

«Ok, ich kann sie jetzt allein lassen. Der Computer wird ein nacktes Bild ihrer Frau projezieren, das sie dann ändern können. Sprechen sie einfach das, was sie wollen.»

Die Verkäuferin ging und auf der Leinwand erschien das Bild Helga F.'s, der Computer hatte sie erstaunlich gut getroffen. Nur wenige Korrekturen waren notwendig.

«Bitte Fellzeichnung wählen!»

«Luchs.» Sofort erschien Helga F. mit Fell vom Hals abwärts.

«Mit Schwanz?»

Erich F. brauchte ein paar Sekunden, sich zu entscheiden. Inzwischen präsentierte der Computer beide Alternativen. Schließlich siegte der Schalk in Erich F. «Mit Schwanz. Und am Rücken entlang eines V-Ausschnittes kein Fell.»

Der Computer tat wie geheißen. «Mit Katzenaugen?»

Erich F. wunderte sich nicht schlecht, über die Optionen, die der Computer zur Auswahl hatte. Jeder der Wünsche war sofort erfüllbar, ob nun das Fell länger werden sollte oder er sechs Busen satt zwei sehen wollte, ob er gleich einen Katzenkopf forderte oder Krallen an den Händen, ob die Beine dicker oder der Schwanz länger werden sollte. Alles lieferte der Computer sofort, genau wie Erich F. es befahl. Schließlich stutzte er die Gestalt am Bildschirm auf die zurück, wie er sich vorstellte, daß es Helga gefallen würde.

«Fertig.»

«Vorgang beendet. Synthese läuft. Bitte 17 Minuten warten.»

Es erschien wieder die Sanduhr und auch die Verkäuferin trat hinein. «Sie haben gewählt. Am besten holen sie gleich die Genprobe, dann kann die RNA synthetisiert werden, die dann ihre schlafenden Gene weckt. Sie wissen, daß die Synthese sehr teuer ist?»

«Sagen sie, wieviel?»

«Rund Elftausend Mark.»

«Das ist mir meine Frau auf jeden Fall wert.»

«Noch ein paar Sachen: Sie bekommen eine Art Hormonpräperat. Dieses ist nur und ausschließlich für ihre Frau zugeschnitten. Sie soll den Inhalt auf einmal trinken, weiteres gibt es nicht zu beachten. Ändern sie die Dosierung auf keinen Fall, sonst erwacht sie als Raubkatze. Da es keine Viren sind, haben sie nicht zu befürchten, daß ihre Kinder auch mal so aussehen. Und zur Not ist der Vorgang in Grenzen reversibel. Wir übernehmen übrigens für zehn Jahre die Garantie auf Fell und, so sie gewählt haben, Schwanz.»

Sie ging noch weiter ins Detail und just als sie fertig war und Erich F. den Scheck ausgeschrieben hatte, da erschien das kleine Fläschchen im Ausgabeschacht. Erich F. unterschrieb Vertrag und Scheck und ging.


Zuerst hielt Helga F. es für ein Parfüm. Aber als Erich F. von der wahren Bedeutung des Fläschchens sprach, da wurde sie neugierig. So schnell wie möglich wollte sie es ausprobieren und trank sofort die Flasche ex. Doch außer einem stärker werdenden Juckreiz war keine Wirkung zu beobachten. Dieser Juckreiz störte auch das Weihnachtsessen. Aber als es zu Bett ging, da hatte Helga F. schon einen leichten Flaum. Sie liebten sich so intensiv, wie schon lange nicht mehr.

Der Morgen brachte die erwartete Überraschung. Über Nacht hatte sich Helga F. in eine Party-Luchsin verwandelt. Sogar einen kurzen Schwanz hatte sie schon; wirkte der in der Simulation nur wie ein Anhängsel, so war er bei Helga voll beweglich, bei Erregung schlug er hin und her, wie bei einer echten Katze. Besonders gut gefielen Helga F. aber die Katzenaugen. Ärgerlich war nur die Länge ihrer Zunge, Erich hatte vergessen sie wieder zu kürzen. Doch das Sprechen ging wie gewohnt. Im Ganzen war Helga F. sehr zufrieden, dies würde keine ihrer Freundinnen so leicht nachmachen können. Und sie fühlte sich großartig.

«Erich, du hättest ruhig Krallen und das Raubtiergebiß bestellen können.»

«Dann warst du mir doch zu fremd.»

«Weißt du was? Ich bestelle dir auch eine neue Gestalt. Bitte.»

«Wenn du meinst.»

Die Feiertage verbrachte Helga F. mit dem Ändern ihrer Kleidungsstücke. Eine ganze Reihe wurde aussortiert. Dann mußten alle Hosen mit einem Loch für den wachsenden Schwanz versehen werden. Dann wurde lange nach der bestaussehensten Kleidungskombination gesucht. Die Lösung bestand schließlich in einer einfachen, blauen Jeans-Latzhose, obenherum wurde einfach gar nichts getragen. Doch das Fell schützte gut gegen den fünf Grad warmen Dezemberregen. Nichts einmal richtig naß wurde Helga F., so dicht war es schon.

Am nächsten Werktag, es war Donnerstag der 27.12., da machte sich Helga F. nach der besagten Parfümerie auf, während ihr Mann der Arbeit nachging und Akten aufarbeitete, die bis zum Jahresende fertig sein mußten. Wie die Leute auf der Straße guckten. Mindestens einen Unfall gab es durch die Gaffer. Doch wenn jemand ihr zu nahe kam, dann fauchte Helga einfach laut, das brachte die Männer ganz schnell wieder auf Distanz.

In der Parfümerie erkannte die Verkäuferin Helga als ,,Opfer" von Erich F. sofort. Ausführlich bewunderte sie durchaus ehrlich Helga F.

«Ich hätte auch gerne für meinen Mann eine neue Gestalt und ein paar Extras für mich.»

«Tun sie sich keinen Zwang an. Hat ihr Mann das Verfahren beschrieben?»

«Ja, ich habe hier alle Unterlagen und einen Fingernagel.»

«Ich werde den Fragebogen für sie ausfüllen, während sie hinten sind. Stecken sie die Fotos in den Scanner. Ok, ich gehe dann wieder.»

Nach einer sehr kurzen Wartezeit, denn es war ein Nacktfoto Erich F.'s dabei, erschien die Gestalt, so wie sie jetzt in ihren 38 Jahren war.

«Bitte Fellbezeichnung wählen!»

«Beige.»

«Mit Schwanz?»

Das gesamte Prozedere wurde wie beim ersten Mal durchlaufen, nur achtete sie sorgfältig darauf, daß äußerlich keine großen Veränderungen sichtbar wurden, denn ein Steuerberater durfte wohl nicht zu extravagant auftreten. Aber die Möglichkeiten wurden dennoch voll ausgenutzt.

Mit dem Fläschchen ging sie nach Hause, wo Erich F. sich schon Sorgen gemacht hatte. Ihr eigenes trank sie sofort.

«Wo warst du nur so lang? Barbusig dort herumzurennen, ich weiß nicht.»

«Aber Erich, es ist doch dein Geschenk. Und wenn jemand zu nahe kam, dann habe ich wütend gefaucht, Hff, und du hättest sie sehen sollen!»

«Hauptsache, es war kein Kunde dabei.»

«Ach, die werden das genauso exotisch und aufregend finden, wie du und ich. So und jetzt machst du Schluß und du trinkst das aus, dann essen wir Abendbrot und dann gehen wir beide ins Bett.»

Und genauso geschah es. Helga F. schnurrte sogar in Extase, wie es normalerweise Katzen tun, wenn sie sich wohlfühlen; ihr ganzer Körper vibrierte in Extase. Es war richtig animalisch sich so zu lieben, besser als Erich F. es sich in seinen wildesten Träumen ausgemalt hätte. Erschöpft schliefen sie ein, gespannt auf Erichs Fell am nächsten Tag.

Helga war vor ihm wach geworden. Mit ihrer langen rauhen Zunge leckte sie ihm über das Gesicht. Es war stockdunkel.

«Helga!»

«Guten Morgen, mein neuer Erich. Ich habe alles zugemacht und werde dich im Dunkeln zum Spiegel führen. Dann mache ich hell.»

«Aber man sieht kaum die Hand vor Augen.»

«Ich habe doch Katzenaugen jetzt. Los komm.»

Helga führte Erich zu dem Spiegel. Erich hatte beide Arme auf ihr weiches Fell auf den Schultern gelegt und folgte vorsichtig ihrem Schritt. Sie positionierte ihn vor dem Spiegel und ging zum Lichtschalter.

Erich F. sah sich bestürzt im Spiegel. Aber dann sah er, mit wieviel Klugheit Helga vorgegangen war. Seinen Oberkörper hatte sich etwas erweitert, und insgesamt war seine Gestalt etwas sportlicher geworden. Er hatte braunes Fell, aber nur ihn einer Mähne am Rücken. Das ging dann langsam in einen Pferdeschweif über. An seinen Becken und an den Beinen war dichtes hellgelbes Fell, wie bei Shetlandponys. Nur seine Füße sah er darunter nicht. Erst als Erich den Fuß anhob, sah er einen Huf statt dem Fuß. Doch da man das Fellgebaumel für Hausschuhe halten konnten und die Kunden nur Hausbesuche machten, war dies kein großes Problem. Viel wichtiger war das Gefühl, als wäre man neugeboren. Jetzt konnte Erich Helga verstehen. Vor Aktivität zerriß es ihn förmlich.

Auch für Erich hatte Helga Kleider zurechtgemacht. Für die Beinen war eine Lederhose gedacht, an den Seiten geschnürt, wo das Fell herausquellen konnte. Auch der Schwanz ragte durch ein Loch nach draußen. Erich konnte auch ihn voll bewegen. Für den Oberkörper bekam er ein Leinenhemd, ebenfalls am Rücken geschnürt, so daß die Mähne herauskam.

«Helga, mein Goldstück, auf diese Ideen wäre ich selber nie gekommen. Ah, und wie ich sehe hast du gleich Raubtierkrallen und die Raubtierzähne machen lassen.»

Helga F. überprüfte die Aussage sofort im Spiegel. Sie fuhr mit ihrer weichen langen Zunge über die Eckzähne. Und sie konnte ihre Krallen ein- und ausfahren. Sie hatte es nicht einmal gemerkt. Ein echtes Wunder der Medizin.

Am Abend gingen sie in den Wald, spazieren. Doch sie fühlten sich beide so gut und begannen zu laufen, dann zu rennen. Fast eine Stunde liefen sie, die Körper hatten sich scheinbar auch innerlich verändert. Wenn Erich jubelte, dann klang fast ein bißchen wie ein Wiehern. Sie liebten sich in wilden Zuckungen auf dem Blättern, von animalischen Geräuschen begleiten. Dann ging es zurück zu Auto und nach Hause, wo sie wieder übereinander herfielen.

Dies war auch die erste Handlung am Morgen. Dann erst standen sie auf und Erich F. versuchte mühsam seinen dichten Beinfilz zu ordnen.

«Und die kleinen Haarbüschel am Ohr sind ein typisches Luchsmerkmal. Ich finde dich so sexy. Aber heute Abend, da gehen wir auf den Sylvesterball aller Unternehmensvertreter. Das wird das Ereignis dort!»

Beide freuten sich darauf. Diesmal waren sie keine grauen Mäuse, diesmal waren sie die Katzen, um in diesem Bild zu bleiben. Helga zog sich dazu den knappesten Slip an, den sie hatte, während Erich seine neuen Sachen, extra für die neue Gestalt, trug. Helga versuchte noch kurz, ihre Fußpfote in einen Absatzschuh zu stopfen, doch es war ihr einfach zu unbequem. Und da Erich sowieso keine Schuhe tragen konnte, tat sie es ihm gleich.

Natürlich waren die beiden die Attraktion des Balles. Jeder wollte mit ihnen tanzen, besonders natürlich mit Helga. Auch die Frauen, besonders die noch nicht verheirateten, wollten Helgas Geheimnis wissen. Doch sie behielt es für sich, versprach aber, es in zwei Wochen durchzufaxen, aber dann hätte es wohl eh jede über andere Quellen erfahren.

Sie kamen erst spät nach Hause. Und auch jetzt fielen sie wieder übereinander her, bis Helga Erich einen Liebesbiß ins Ohr verpassen wollte und in seinen Arm biß. Sofort war Erich ruhig. Die Wunde tat höllisch weh, blutete aber kaum. Dennoch war für heute abend Schluß.

Auch diesen Morgen inspizierten sie sich wieder im Spiegel. Doch es waren wenig Veränderungen zu entdecken, vielleicht waren die Ohren etwas spitzer geworden und das Fell etwas dichter. Und sie fühlten sich großartig, befreit.

An diesem Abend waren sie auf dem Ball der Steuerberater und Makler. Auch hier wurden sie wieder großartig aufgenommen. Auch Erich trug heute einen Slipper und ein Netzhemd.

Am nächsten Morgen, dem letzten Tag des alten Jahres, beschlossen sie, noch ein letztes Mal zu der Parfumerie zu gehen. Inzwischen war das Fell so dicht, daß Helga ohne ein Stück Kleidung trotz Frost mit Erich Seite an Seite in die Stadt ging. Neidisch, peinlich betroffen, fasziniert aber vor allem neugierig blickten die Leute ihnen nach. Erich störte es nicht einmal, daß Helga nackt war, es war nur natürlich, jetzt, da sie ein Fell hatte.

Auch die Verkäuferin der Parfümerie war begeistert. Sie gewährten ihnen einen großzügigen Rabatt, da sie ihre beste Werbung seinen. Schon zwanzig Leute waren da gewesen, doch nur ein einziger hatte sich dazu durchringen können.

Erich verpaßte sich mehr Fell, aber in einer extravaganten Zeichnung. Oben wollte er kürzeres weißes Fell, aber vom Bauchnabel an sollte ein schwarzer Steifen V-förmig nach oben gehen und sich auf den Schultern vereinen. Helga war begeistert. Und sie wollte, daß er noch kräftiger wurde. Erwartungsvoll trank er die Flasche noch im Laden und schon bald spürte er das erwartete Jucken.

Schon am späten Nachmittag, war die Zeichnung deutlich zu erkennen. Im neuen Jahr würde dann das Fell fertig sein. Den Abend wollten sie nun auf dem allgemeinen Sylvesterball der Stadt verbringen. Erich zog seine Schnürlederhosen an und ließ den Oberkörper nackt; Helga ging natürlich ganz in Luchs.

Das Fell war wirlich einen tolle Erfindung der Natur. Es hielt selbst bei -5 Grad warm, aber auch bei 25 Grad schwitzte man noch nicht. Und so genossen sie auch diesen Ball wie wild. Und dort trafen sie auch eine Schlangenfrau. Helga unterhielt sich ausführlicher mit ihr.

«Die Verwandlung war hart, denn ich bin aus meiner Haut geschlüpft. Das war ziemlich schwierig. Aber ich habe die Möglichkeit völlig genutzt. Diesem Computer ist scheinbar nichts unmöglich. Vorher war ich 68 Jahre alter Rentner, ja ein Mann. Und nur 156 groß. Und jetzt überrage ich auch sie um einen Kopf. Und sehen sie sich meine Arme und Beine an, hier, ich kann sie ein wenig ringeln, wie bei einer Schlange. Sogar Giftzähne hätte ich haben können.»

«Unglaublich.»

«Ja, das finde ich auch. Zumal ich mich wieder wie zwanzig fühle. Aber leider wärmt die Haut nicht. Hier drinnen ist es optimal, aber draußen muß ich mich so dick vermummen, wie es überhaupt geht. Und dann werden meine Bewegungen träge. Aber ich freue mich schon auf dem Sommer.»

«Da ist das Fell praktischer. Jetzt schwitze ich nur ein bißchen, aber ich kann auch einfach rausgehen, in den Frost.»

«In der Tat sehr praktisch. Aber Fell ist schon nichts besonderes mehr.»

«Tja, ich bin wirklich gespannt, was die Leute sich als nächstes einfallen lassen.»

Alle drei amüsierten sie sich riesig. Und als Ehepaar F. um halb drei wieder zu Hause war, nunja, dann folgten sie dem abendlichen Ritual im Hause F. seit der Verwandlung.

Es war der erste Tag im neuen Jahr. Vom Alkohol hatten sie beide leichte Kopfschmerzen. Erst als Erich in den Spiegel schaute, wurde ihm seine enorme Veränderung klar. Er sah aus, wie der große Bruder von Arnold Schwarzenegger, sein Brustumfang hatte sich bestimmt verdoppelt. An seinen schwarz befellten Armen und zotteligen Beinen, waren stahlharte Muskeln. Die Hose, die er angelassen hatte, war ein Stücke zerfetzt während der Nacht.

«Sag mal Helga, soviel hatten wir doch gar nicht gewollt?»

«Nein, und Eselohren hatten wir auch nicht gewollt.»

«Und dir wächst ja jetzt ein Katzenbart. Und deine Ohren sind so spitz, wie echte Luchsohren. Und sage mal, dir wachsen ja sechs zusätzliche Busen, wie bei einer Luchsin, acht Stück.»

Sie sahen sich im Spiegel an: An Erichs Kopf waren langen Pferdeohren, ganz in schwarz, satt seiner alten. Sie drehten sich in Richtung jedes Geräusches. Und Helga hatte Schnurrhaare, lange schwarze; und zwei Busen schwollen oberhalb und vier unterhalb ihre zwei Busen, die sie schon immer besaß.

«Scheinbar hat der Computer noch ein paar Fehler. Ich hatte mir damals auch kein zusätzliches Paar Busen gewünscht. Aber ich bin so ganz zufrieden.»

«Ich nicht. Wir haben gut Dreißigtausend dort gelassen, dann soll man das auch richten. Wir fahren sofort hin!»

«Heute ich Neujahr.»

«Richtig, dann fahren wir morgen dahin.»

«Sag mal, wächst bei mir im Gesicht etwas?»

«Höchstens ein leichter Flaum, wieso?»

«Es fängt immer stärker an zu jucken.»

«Kratz bloß nicht mit deinen Krallen herum.»

«Ich würde gerne ein bißchen an die frische Luft.»

Erich zog sich eine alte Unterhose zum Schnüren an, ansonsten paßte ihm nichts mehr. So fuhren sie in den Forst und rannten dort. Doch Erich konnte rennen, soviel er wollte, er kam zwar Helga kaum hinterher, aber selbst wenn er so schnell rannte, wie er konnte, war er auch nach einer Stunde noch frisch. Helga war inzwischen völlig fertig und saß auf der Heimfahrt keuchend auf dem Beifahreresitz.

Als sie zu Hause waren, da wurde als erstes die Heizung ausgedreht und alle Fenster aufgerissen. Es war ihnen einfach zu warm geworden, besonders Helga. Vor dem Spiegel kontrollierte Helga ihr Gesicht. Es war schon mit dünnem schwarz-weiß-getigerten Fell überzogen. Erich war dagegen unverändert, ihn störte nur das leichte Ziehen in den Muskeln.

Doch dann erledigte Erich die letzten Akten, denn morgen würden die Kunden wieder kommen und Helga bereitete eines ihrer besten Abendessen vor. Allerdings hätte sie die Steaks am liebsten roh verschlungen, so wie sie dort blutig auf der Anrichte lagen.

Nach dem Abendessen standen sie wieder vorm Spiegel. Erich hatte vielleicht noch mehr an Muskelmasse zugesetzt, die Haut darüber war straff gespannt. Und Helga hatte jetzt am ganzen Körper das gleiche Fell, wie eine Luchsin in Menschengestalt. Acht Hügel wölbten sich auf ihrem Oberkörper. Irgendwie schien sie auch etwas kleiner geworden sein. Morgen würden sie der Verkäuferin die Leviten lesen.

Dann fielen sie wieder übereinander her, vorm Spiegel. Als Helga mit ihren Krallen einen Muskel berührte, riß dieser gleich auf. Doch Erich bemerkte es nicht einmal.


(eig) Mi, 2.1.

Steuerberater von Bestie zerissen

Gestern Morgen hat Polizei im Hause des Steuerberaters F. eine völlig verstümmelte Leiche entdeckt, die als der Besitzer Erich F. identifiziert wurde. Seine Ehefrau, Helga F., wird vermißt.

Dem Leichnam waren die Arme und Beine aufgerissenen, abgerissenen und teilweise angefressen. Ein Luchs stand über dem Leichnam, leckte diesen ab und winselte. Als der offensichtlich tollwütige Luchs auf die Polizisten zukam, zog einer die Dienstwaffe und erschoß ihn. Alarmiert worden war die Polizei durch eine umgestürzte Büste, die mit der Alarmanlage verbunden war. Diese war vermutlich vom Luchs umgerissen worden, als dieser durch das offene Fenster hereinkam.


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