Katzen von Markus Pristovsek


Marik saß gelangweilt bei Llanaploß. Ntansa war sicher auf Fallerian, der Glokcer verhaftet, die Hintermänner spurlos verschwunden. Das Schiff hatte Fallerian beschlagnahmt, und das bisschen Belohnung hatte gerade für seine Schulden und die Umschreibung der Lizenz nach C4 gereicht. Er brauchte dringend wieder Arbeit. Verdammt, er war soweit, dass er sich morgen zum Innersystemdienst melden wollte.

Da betrat eine Katze die Bar und sah nach Llanaploß. Der nickte ihr zu. Sie lief zur Theke und sprach kurz mit ihm. Was alles halbwegs normal wäre, wenn die Katze nicht so schrecklich jung gewesen wäre. Höchstens fünfzehn schätzte er sie. Ob sie auch ein Findelkind war, so wie er? Er überlegte, ob er aufstehen und die fragen sollte, als sie zu ihm kam.

«Du bist Marik?», fragte sie. Sie sprach sanft; es klang nicht sehr fallerianisch. Eigentlich hatte sie überhaupt keinen Akzent.

«Bist du auch von Fallerian?»

Ihr Gesicht, wenn er es denn richtig interpretierte, schien maßlose Überraschung zu zeigen. «Nein, äh, nein!» Sie hatte sich wieder gefasst. «Bist du nun Marik, mit C4-Lizenz? Man sagte mir, du wärst gut.»

Er musste lächeln. Doch bevor er antwortete, musterte er sie: Sie war nicht größer als er. Ihr Fell war grauweiß getigert, und ihr Kopf war dem einer Katze sehr ähnlich. Ein langer dünner Schwanz hing zwischen ihren Beinen. Sie trug einen groben dunkelgrauen Pullover und schmutziggrüne Hosen. «Ja, ich bin Marik. Aber wenn du noch mal jemanden anwerben willst, dann darfst du nicht sagen, er sei gut. Das treibt den Preis stark in die Höhe.»

Sie war unsicher, vielleicht sogar verängstigt. «Bitte, du musst mir helfen. Ich bin zwei Tage im Rückstand und» Sie sah nach unten. «Du bekommst den halben Gewinn für den Rückflug und dazu noch die Prämie, wenn wir rechtzeitig da sind.»

Nun, so einfach wollte er es einer Katze nicht machen. Auch wenn sie ihm Leid tat. «Ehrlich gesagt, ich habe kein großes Interesse. Ich wurde zweimal von Katzen betrogen: Das erste und letzte Mal!»

«Ich bin ehrlich, wirklich. 1000 Credits Prämie und rund 280 Credits Gewinn für die Ladung.»

Sein Interesse war damit geweckt - auch wenn es unvernünftig war. Aber zuhören kostete schließlich nichts. «In wieviel Tagen musst du denn wo sein?»

«In neun Tagen auf der Heimatwelt der Katzen, natürlich.»

«Was?» er lachte. «Dafür willst du mir tausend Credits geben? Das ist leicht verdientes Geld. Wenn das Schiff noch mehr als 200 % Sprungleistung hat, ist es ein Kinderspiel. Meinst du es ernst?»

Sie nickte.

«Ok, dann lass uns losgehen.»

 
Sie gingen recht flott durch die Korridore. «Ist es dein eigenes Schiff?»

«Ja. Meine Tante hat es ausgemustert. Es hat zuviel Treibstoff verbraucht. Hat sie gesagt. Außerdem brennen die Ionenantriebe zu oft durch. Das stimmt leider.»

«Was ist es denn.»

«Sagan Melorian II, heißt der Typ. Es»

Er blieb stehen, drehte sie herum: «Eine echte Sagan Melorian II? Und was bekommst du, wenn wir in fünf Tagen da sind?»

«Dann zahle ich dir noch mal 100 Credits. Es ist mir ein völliges Rätsel, wie du das anstellen willst.»

«Ist die Ladung zerbrechlich?»

«Nein, Kranta, 17 Tonnen.»

«Nicht-redundante Spulen?»

Der Katze war die Frage sichtlich peinlich. «Schon, aber die Spulenleistung ist noch bei 320 % und»

Doch er unterbrach sie. «Das wird ein Spaß. Ich wollte schon immer mal eine selber fliegen.»

Sichtlich verwirrt folgte sie Mariks weiten Schritten. Zwischendurch kaufte er noch zwei Decken, während die Katze kopfschüttelnd daneben stand. Wozu sollten sie Decken brauchen, die Heizung funktionierte schließlich.

Sie waren bald an der Schleuse. Die Katze schob die Karte in den Leser. Das Schott glitt langsam zur Seite. Nun, viel Platz war in der anderen Sagan auch nicht gewesen; nur Cockpit, zwei Liegen und kein Klo: Man musste sich an die Liegen anschließen. Aber es war der Typ, auf dem er zu allerersten Mal hinausgeflogen war - als Passagier und Lehrling. Damals war er erst zehn gewesen. Er strich über die Konsole. Die Kommandos kamen wie von selber. «Klabauter, Kafka, Kurzschluss: Status!»

Eine ganze Reihe Lichter erwachten auf der rechten Seite. Auf der breiten Schubskala blinkte der untere Balken langsam. Die Katze sah überrascht zu, was er mit ihrem Schiff anstellte. «Computer: Stationsenergie», wies er an. «Klabauter, Kafka, Kurzschluss: Stand-by!»

Auf dem Panel liefen Anzeigen hoch. Plötzlich ging kurz das Licht aus, kam aber gleich wieder. Irgendwo hinten im Schiff klang es, als beschleunige ein riesenhafter Motor. Der erste Balken auf der LED-Anzeige leuchtete jetzt ständig rot und der zweite begann zu blinken.

«Was machst du da?!» rief sie jetzt endlich.

«Nun, wozu hat denn das Cockpit Schalensitze? Ich bereite die Plasmafackel vor. Ist zwar alles schon sehr lang her, aber ich werde das schon zusammenbekommen. Bereite alles vor, wenn du Hunger hast, iss etwas. In 0065 sind wir im Limbo.»

«Was!» Sie schüttelte den Kopf. «Du bist verrückt!»

«Ich wette um 100 Credits!»

Da meldete sich die Station: «He, Stern von Kamelle, was soll das? Das kostet mindestens fünfzig Credits.»

Er antwortete im Fallerianslang: «Na und, lohnt sich. Vom Augenblick, wo die Klammern gelöst sind, sind es noch 0050 und dann sind wir von euren Schirmen verschwunden. Wetten? Um die fünfzig Credits?»

Die Station antwortete prompt: «Du spinnst. Wer bist du?»

«Ich bin Marik Sewastopol!» Im gleichen Moment gab es einen kurzen Moment ein kurzes Schlingern und dann war Schwerelosigkeit. Beide fluchten.

«Die Wette gilt! Gute Reise. Und verdient die fünfzig Credits! Zahlbar an Llonglin'an.»

Marik nahm sich eine Decke und breitete sie ganz flach aus, legte sich den Fäkaliengürtel an und schnallte sich auf den Sitz. «Äh, wie heißt du eigentlich? Ich bin Marik Sewastopol.» fragte er nebenbei.

Endlich bewegte sie sich wieder. «Kira von Samul. So schnell bin ich noch nie losgekommen. Und das für 50 Credits. Warum legst du dir die Decke und ein Handtuch unter und schnallst dich an?»

«Nun, ich will ihm die 50 Credits nicht gönnen. Die Plasmafackel hat 'ne Menge Schub. Brennt aber nicht sehr gleichmäßig. Stell dir also deinen Schalensitz so bequem wie möglich ein. Jede Falte in der Decke gibt einen blauen Fleck.»

Sie sah ihn kurz an, dann mustete sie noch mal den Sitz. «Verdammt, das Teil ist aber nicht für Katzen gemacht. Wo soll der Schwanz hin?»

«Ich auch nicht für Menschen gemacht. Aber die Schub kommt nur langsam. Klabauter, Kafka, Kurzschluss: Zünden bis 2,0.» Das summende Geräusch wurde langsam wieder höher. Zu den sechs roten Balken kam jetzt ein gelber blinkender dazu. «Kira, du solltest den Kurs jetzt eingeben. Dieser Rechner war immer recht langsam, wenn ich mich recht erinnere.»

Sie seufzte. «Ich hätte einfach zu spät kommen sollen.» Dann hatte sie es sich, so es ging, bequem gemacht und hackte auf der Tastatur herum.

«Kopf hoch. Das ist eines der schnellsten kommerziellen Schiffe, das je gebaut wurde. Damit kann man doch nicht langsam durch das All gurken. Ah, wir bekommen Schub.» Die Anzeige hatte jetzt neben sechs roten und sechs gelben bereits zwei grüne Balken. Auf dem Beschleunigungsmesser standen schon 0,22, aber die Anzeige zählte ständig weiter. Immer noch klang es von hinten, als würde eine Turbine sich hochquälen - was sie vielleicht wirklich tat. Bei 0,5 merkte man deutlich, dass der Schub nicht sehr gleichmäßig war. Die ersten Gegenstände begannen zu klappern.

«Der Kurs ist drinnen.» rief Kira.

«Ein bisschen oll, die Kiste.» schrie er zurück. «Vermutlich deshalb aussortiert.»

Es war untertrieben: Es ruckelte wie wild. Die Anzeigen verschwammen vor den Augen. Dabei leuchtete erst ein Drittel der LED-Balkenanzeige. 1,75 stand auf der Schubanzeige.

Die Station war nicht mehr zu sehen; allerdings waren sie wegen der Plasmafackel nach hinten eh blind. Nur noch ein grelles blauweißes Leuchten war dort zu sehen.

«Wir springen in 0010. Pflaster fertig?» Er musste es Kira fast ins Ohr brüllen. Dann sah er sich noch einmal die Eintrittspunkte an. Mal sehen, dachte er, doch recht nah, was Kira da ausgedacht hatte. Nun, sie hatten es eilig.

Das 0001-Signal hallte durch Schiff. Zumindest hätte man es hören können, wenn der Antrieb nicht ganz so laut gewesen wäre. Der Raum begann sich zu falten. Er knallte sich das Pflaster auf die Wange. Bloß nicht verfehlen, dachte er, bei dem Höllenlärm drehe ich sonst durch. Doch es klappte.

 
Es war still, als er aufwachte. Irgendwo lief ein Aggregat aus. Er sah auf das Display der Fackel. Sie ging gerade in Stand-by. Vielleicht war er davon wach geworden.

Kira schlief noch. Dabei waren sie in 3D. Wo hatte sie denn ihr Pflaster hingeklebt? In das Ohr! Nunja, wo auch sonst, schließlich war sie ja überall fellbedeckt. Vorsichtig zog er am Pflaster. Es war eine schlechte Idee, denn Kira langte aus Reflex aus und zog ihre Hand mit ausgefahrenen Krallen über seine Wange. Er schrie. Da erst wachte sie auf.

Sie wusste nicht, was passiert war. Sie sah nur sein entsetztes schmerzverzerrtes Gesicht mit den blutenden Striemen. Dann spürte sie ihre Pfote mit den ausgefahrenen Krallen und entspannte sie. «Es war eine dumme Idee», sagte sie.

«Da weiß ich jetzt auch. Verdammt, ihr Katzen. Warum ist es nur so schwer, mit euch auszukommen. Ihr seid so schnell brutal, so voller Freude hinterlistig.»

Sie sah sich seine Wunde an, begann sie zu lecken. «Und so impulsiv», sagte er. «Aber kümmer dich besser um den ganzen Bürokratiekram. Ich nehm lieber künstliche Haut.»

Damit verließ er das Cockpit und schwebte zum Eingang, wo sich, einer uralten Konvention folgend, das Verbandszeug befand. Während er sich verarztete, setzte sanft Schub ein, maximal 0,2. Erst nach und nach verflog die Wirkung des Pflasters, und er begann die zahllosen blauen Flecke von der Rüttelei der Plasmafackel zu spüren. Immerhin spürte er so die Kopfschmerzen fast nicht. Er vermisste wirklich eine Dusche.

Er kehrte zurück in das Cockpit. «Und wie ist es gelaufen?»

«Wir sind tatsächlich da. In vier Tagen eine Strecke geschafft, die sonst neun Tage braucht. Aber dafür sind die Tanks fast leer.»

«Naja, wie sollte es sonst funktionieren. Von nix, kommt nix. Und, wie weit noch zur Station?»

«8500. Wir sind so ziemlich an der innersten erlaubten Grenze hereingekommen.»

Er zuckte mit den Achseln. «Der Rechner der Sagan war nie doll.»

«Ich war unterwegs ziemlich einsam. Viel mehr als Ja oder Nein kann dieser Rechner nicht.»

«Es ist keine KI. Schließlich muss es ja ein paar Gründe geben, warum die Sagans ausgemustert wurden. Wenn du schmuggeln willst, oder mit verfälschten Botschaften handeln, dann brauchst du eine Sagan. Aber so richtig legal kannst du dir nur mit Kuriertransporten Geld verdienen.»

«Aber Passagiere befördert man vermutlich nur zweimal: das erste und letzte Mal. Bei der Rüttelei ... Immerhin weiß ich jetzt, wozu die Schwingungsdämpfer an der Korrekturtriebwerken sind.»

Sie schwiegen sich wieder an. Von Zeit zu Zeit hackte Kira wieder auf der Tastatur herum.

Er versuchte, das Schweigen zu brechen: «Wie alt bist du wirklich? Wenn ich dich so sehe, schätze ich dich auf vierzehn.»

«Ich bin fünfzehn. C2 vor zwei Monaten.» Plötzlich wirkte sie wieder so unsicher. «Du bist auf Schiffen aufgewachsen?»

Er zuckte mit den Achseln. «Ich wurde auf Flikkers gefunden. Llandren hat mich adoptiert. Er war halt Raumfahrer und hat mich überall mitgenommen. Da lernt man halt solche Tricks.»

«Stimmt es, dass du einmal mit einer kaputten Spule gesprungen bist?» Sie machte ein richtig ehrfurchtsvolles Gesicht.

Er lachte. «Da ist eigentlich gar nicht so viel dran. Du unterbrichst die Heizung und baust dafür eine eigene Stromversorgung. Dann lässt du den Computer 0010 lang zünden und stellst dann die Heizung mit der richtigen Leistung von Anfang an an. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird dann eine Ionenlawine ausgelöst, auch wenn die Spule fast kaputt ist. Mit beinahe gleicher Wahrscheinlichkeit überlebt die Spule aber nicht lange ohne Heizungsstromregelung. Mit Simon, ich würde gerne wissen, was aus dem Schiff geworden ist, er hat die Spule ganze zwei Tage am brennen gehalten und hat dann sogar noch mit einer anderen kaputten übernommen. Wir sind sechs Tage mit 32 % und 28 % Sprungleistung gesprungen. Ein toller Computer. Keiner hatte gerechnet, dass wir ankommen. Normalerweise brennt so eine Spule nach 3000 oder so aus.»

Kira hatte mit offenem Mund zugehört. Sie schwieg beeindruckt. Plötzlich verzerrte sie das Gesicht. «Computer: Nullschub!» Sofort hatten sie wieder Schwerelosigkeit. Kira ließ sich aus den Konturensitz treiben. Sie rieb sich an vielen Stellen, besonders aber um den Schwanzansatz. «Verdammt! Als nächstes werde ich maßgeschneiderte Kontursessel anfertigen lassen. Computer: 0,2 Schub.» Elegant landete sie auf allen vieren. «Ich werde mich mal kurz auf die Matratze legen.»

«Dabei hast du doch Fell.»

Sie sah nicht gerade glücklich aus. «Du hast keine Ahnung, oder? Ich bekommen gerade das Erwachsenenfell. So dünn wird mein Fell nie mehr sein. Warum trage ich denn einen dicken Pullover und die lange Hose? Und die blöden Falten spüre ich auch.»

«Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht beleidigen. Aber nimm den Funkverkehr mit zu dir, ich war noch nie hier. Normalerweise ist es, glaube ich, sogar verboten hierher zu kommen.»

Doch sie verschwand einfach. Naja, immerhin war er ja auf Einladung hier. Die Station rief sie. Er versuchte, Kira zu wecken. Doch er traute sich nicht, sie noch einmal zu berühren, die Kratzer von vorhin genügten. Also antwortete er für sie, so gut er konnte. Sofort schien die Kommunikation eisiger zu werden. Aber es war wenig Verkehr, sie waren auf der richtigen Anflugbahn und so gab es keine Vorwände, sie groß zu verzögern. Es waren eben gut 9500 statt 8500, bis die Dockingklammern sanft einrasteten. Er fuhr die Klabauter-Kafka-Kurzschluss-Fackel ganz herunter. Wer immer den Computer programmiert hatte: Er musste eine Macke gehabt haben. Eigentlich war die ganze Sagan eine echte Maschine für Freaks - und nur für sie.

Methodisch legte er den Rest still und machte sich ein Mittagessen. Kira schlief noch immer. Selbst der Essensduft weckte sie nicht. Nun, sehr munter war er auch nicht. Aber Kira musste essen, gerade nach einem Sprung war es das allerwichtigste. Er ließ den Computer einen Alarm durch das Schiff schnarren. Kira reagierte nicht. Erst als er die Matratze wegzuziehen begann, reagierte sie instinktiv: Drei breite Kratzer gingen über seinen Unterarm. Er fluchte laut.

Sie entschuldigte sich wortreich. Erst als er ihr sagte, wie spät es war, sprang sie auf. Sie entschuldigte sich noch einmal. Oh, jetzt schimpfte er wirklich mit ihr: Nach dem Sprung muss man Essen und Trinken. Dann kann man schlafen, aber so, dass man geweckt werden kann. Er meinte es gut mit ihr, doch irgendwie kam es falsch heraus. Am Ende sahen sie sich beide böse an.

«Du gehst jetzt», fauchte sie ihn an.

«Bitte, tu es nicht. Ich soll mich da draußen nicht blicken lassen. Es war nicht so gemeint.» Er wich immer weiter vor ihr zurück. Sie stand aufrecht vor ihm, die Zähne gebleckt, die Krallen an den vergestreckten pfotenartigen Händen ausgefahren.

«Bitte, lass mich wenigstens meine Sachen nehmen.»

Sie trat stumm zur Seite. Schnell griff er sich seinen Beutel. «Es tut mir Leid, dass es so endet. Ich habe es nicht so gemeint.»

«1380 Credits sind dir gutgeschrieben. Ich weiß jetzt, warum jemand wie du immer noch Seelenverkäufer fliegt.»

Sie hatte ihn. Was sollte er sagen. Ich habe halt immer Pech gehabt? Glaubt doch keiner. Sie hatte eben Glück, sie begann gleich mit einer Sagan. Er konnte nicht anders, als das letzte Wort zu behalten: «Hast es dir gemerkt: Klabauter, Kafka, Kurzschluss?» Dann trat er durch das offene Schott nach draußen.

Draußen erwarteten ihn zwei Katzen. «Marik Sewastopol? Komm mit!» In den Gürteln waren auch zwei Waffen, falls die Krallen einmal nicht ausreichen würden. Aber allein der Gedanke, wie diese Krallen ihn zerreißen würden, ließ ihn an der Notwendigkeit der Waffen zweifeln. Er zuckte mit den Achseln und folgte ihnen.

Seine beiden Wachen waren weiblich; schließlich herrschte bei den Katzen das Matriachat, so weit er wusste. Nicht, dass er es übersehen konnte: Sie waren einen Kopf größer, hatten breite Schultern und waren muskulös. Aber ihre Kleidung bestand nur aus kürzesten Shorts und ein gekreuzes Lederband um den Oberkörper. Deutlich waren unter dem Fell die sechs Brüste zu erkennen. Am Rücken hatten sie gerade eben knielange dickfellige Schwänze, eher wie von Eichhörnchen, ganz anders als der dünne von Kira.

Wenig begeistert trotte er zwischen den beiden dahin. Immerhin lernte er so das Katzenvolk kennen. Es war erstaunlich, wie unterschiedlich sie waren. Es gab alle Fellfarben: von schneeweiß bis pechschwarz, mit Flecken, getigert, Schildpatt, hellgelb bis dunkelbraun. Allerdings wurde die ganze Szenerie auch nur von gelben Natriumdampflampen beleuchtet, so dass, selbst wenn grünes Fell dabei war, er es kaum erkannt hätte.

Schließlich verschwanden sie in einer unscheinbaren Tür. Drinnen waren noch zwei weitere Wachen. Komisch, das Ritual, was dann folgte, war auf fast allen ,,zivilisierten" Welten gleich. So recht und schlecht tasteten er sich durch das Gewirr von Fragen. Ziemlich zum Schluss kam eine neue ungewöhnliche Frage: «Die Schwanzlänge?»

Er war irritiert. Sollte er einen Scherz daraus machen? Sollte er trocken antworten: Die Abmessungen meines primären Geschlechtsorganes sind von sekundärem Interesse für sie. Doch er sagte schließlich: «Null. Kein Schwanz.»

«Dann müssen wir dir die Ausstellung einer Katzen-ID verweigern. Aber nur Katzen dürfen sich auf der Station aufhalten, §1.7.6.b. Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder verlässt du die Station, oder du besorgst dir einen Schwanz.»

«Ich will sie gerne bald wieder verlassen. Doch ich kann nicht auf das Schiff zurück.»

Die andere zeigte die Zähne. Lachte sie? «Dann musst du dir eben einen besorgen. Ok, der Rest geht schnell.»

Tatsächlich. Er setzte seine Unterschrift darunter. Dann wurde er in den Nachbarraum geführt. Eine alte Katze, oder ein alter Kater in weißem Kittel stand dort. «Wieviel Credits hast du?»

«Ungefähr 1400.»

«Eine Prothese kostet 2000 Credits. Also kommt nur ein Echtschwanz in Frage. Welche Farbe?»

«Was heißt das?»

«Nun, du bekommst einen Schwanz. Kostet nichts. Programm zur Beseitigung von geburtlicher Behinderung. Welche Fellfarbe für den Schwanz?»

«Ich versteh zwar nicht. Aber von mir aus rotweiß getigert.» Aus einem Impuls heraus fügte er noch hinzu: «Und er kann ruhig hübsch sein.»

Der oder die Alte schien kurz ein bisschen weniger mürrisch zu sein und drehte sich um. Ein Computer piepte. Dann nahm er oder sie einen Schlauch und mit geschickter Hand stach er oder sie ihn in seinen Steiß.

«Au. He, was war das?»

«Du bist blöd, oder was? Dir wird ein Schwanz wachsen. Dauert zwei Tage, mindestens. Solltest regelmäßig Kalziumtabletten nehmen, hier, eine Packung pro Tag. Und eiweißreiche Kost, sonst sehen wir uns im Krankenhaus wieder. Am besten, du zerkaust die Knochen auch. Und jetzt hau ab.» Er wurde in den anderen Raum zurückgeschoben. «Echtschwanz, rot-getigert, hübsch», sagte der oder die Alte und schloss die Tür.

Es schien ein Zauberwort gewesen zu sein. Die Wachen sahen ihn jetzt ganz anders an. «Ok, das macht fast keiner. Komm, du solltest jetzt viel Essen, sonst brichst du zusammen. Eine Freundin, dessen Tante kannte jemanden, der musste sich einen nachwachsen lassen. Schon toll, nach drei Tagen ist alles vorbei und man fühlt sich wie neu.»

«Los komm, gehen wir in das Krartre.» Die andere Wache nickte. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Schon saßen sie in dem Restaurant und aßen. Er hatte einen Heißhunger und aß soviel, wie er selbst nach einen sechstägigen Sprung noch nicht gegessen hatte. Dazwischen erzählte er Geschichten von den Reisen.

Irgendwann begann es am Steiß zu jucken und bald rutschte er hin und her und konnte trotzdem keine angenehme Stellung finden. Immer wieder kam der Hunger wieder. Die beiden Wachen, die eine mit einem braunen und einem grünen Auge hieß Jigra, die andere mit den gelben Krallen hieß Ganbra, immer wieder wollten sie neue Geschichten hören. Und wenn er etwas gut konnte, neben dem Springen, dann war es Geschichten erzählen. Er aß noch zwei Protionen Kranta zum Abschluss, dann war er so müde, dass er einschlief.

Es hatte wirre Träume. Auf Morgen jedenfalls fühlte er sich völlig erschlagen. Er rollte sich herum. Wo war er eigentlich? Es saß auf. Oh verdammt, was war das? Neben ihm lag Jigra und schlief. Er selbst war völlig nackt. Und vor allem: Er hatte jetzt einen richtigen Schwanz!

Er stand auf und ging ins Bad. Der Schwanz ging die halbe Strecke bis zum Knie. Er bewegte sich irgendwie, gehorchte ihm keinesfalls; aber er gehörte eindeutig zu ihm. Er konnte es fühlen, es kitzelte, wenn er die Spitze berühte. Nur ein leichter Flaum war zu spüren, der Schwanz war praktisch nackt. Was bist du für'n Freak. Gaffst hier deinen eigenen Schwanz an, dachte er. Warum war er bloß hierher geflogen!

Er wühlte in seinem Beutel. Die zwei weiteren Unterhosen, die er besaß, passten alle nicht so recht. Das heißt, sie passten schon, nur der Schwanz störte. Naja, es half nicht, er musste ihn irgendwie reinverpacken.

«Hrrrr. Du bist aber früh auf.» rief Jigra aus dem Schlafzimmer. «In der Küche stehen Milch, Flocken und Kranta. Hrrr.»

Für eine Station hatte sie wirklich eine geräumige Wohnung. Küche, Bad, Schlafzimmer und Wohnzimmer, sogar einen Flur. Jigra hatte es wirklich geschafft.

Er ging in die Küche. Durch ein echtes Bullauge leuchteten die Sterne herein. Es war fast wie auf einem Schiff. Er ließ das Licht aus und suchte nach dem Frühstück. Vorher genehmigte er sich noch ein paar Kalziumpillen.

Nach einer halben Stunde kam auch Jigra - nackt. Nicht, dass die kurze Hose und die Lederriemen gestern viel verdeckt hatten. Ihr Fell war zerzaust, ihre Augen dünne Schlitze. Sie gähnte herzhaft. Gesunde Zähne, musste er unweigerlich denken. «Na, hast du noch was übrig gelassen?»

Er schob das Packet mit den Flocken zu ihr. Sie hielt die Schale unter den Milchspender. «Und, wie geht es?»

«So als ob ich Fieber habe; aber besser. Ungewohnt. Meine Sachen passen aber leider nicht zu einem Schwanz.»

«Nun, dann musst du dir ein paar Neue leisten. Den Vormittag habe ich frei. Ich hab schon eine paar Ideen, wie wir dich einkleiden können.»

Er füllte noch mal seine Schüssel.

«Meinst du, ich kann hier leicht Arbeit finden?»

«Tja. Ich meine du bist keine echte Katze, nicht einmal ein echter Kater. Wem gehörte denn das Schiff, mit dem du gekommen bist?»

«Einer blutjungen Katze. Sie hieß Kira von - äh, irgendwas mit ,,S"»

«Kira von Samul?»

«Ja genau. Kennst du sie?»

«Der Samulfamilie gehört fast jedes Sprungschiff. Sie bestimmen die Preise. War vielleicht keine kluge Idee, sich ausgerechnet mit den Samuls anzulegen.»

Er zuckte mit den Achseln. Schließlich hatte er es sich ja nicht ausgesucht.

 
Jigras Zivilkleidung war völlig anders als die amazonenhafte Dienstkleidung: Sie trug halblange Shorts, dazu eine Art Jacket. Die Shorts waren hellgrün, das Jacket rosa. Es schmerzte beim Hinsehen, nur in dem gelben Licht der Natriumdampflampen auf den Gängen war es leidlich erträglich. Leider schienen dies Modefarben zu sein.

Schließlich hatte er, neben einigen Unterhosen, sich zu einer rotbraunen langen Hose und einen sonnenblumengelben Hemd überreden lassen. Dann noch eine dunkelgrüne Hose und ein orangenes Hemd und als Kontrastfarbe ein tiefblaues Hemd. Das orangene und das blaue Hemd würden sich bestimmt auffressen, wenn sie übereinander in der Tasche zu liegen kämen.

Essen war ein gutes Stichwort. Sie lud ihn zu einem Sechsgangmenü ein. Verdammt, das kostete sechszig Credits! Es war ihm peinlich. Sie war reich, ok. Das sagte selbst ihre Wohnung. Und außerdem war es ein Matriachat, wie er sich wieder vor Augen hielt. Also aß er, verdrängte die Gewissensbisse und erzählte weiter Raumfahrerlatein und wahre Geschichten. Schließlich musste sie zum Dienst. Sie gab ihm das Codewort für ihre Wohnung und verschwand dann schnell.

Kaum war er drinnen, da überfiel in wieder Müdigkeit. Vorher aß er noch etwas, obwohl er nicht mehr ganz so hungrig war. Im Bad wog er sich. Nunja, kein Wunder, soviel wie er in sich hereingestopft hatte. Dann legte er sich auf das Bett und war sofort eingeschlafen.

Als Jigra heimkam, wachte er kurz auf, ging mechanisch in die Küche und füllte seinen knurrenden Magen auf. Dann fiel er wieder in das Bett.

Der Morgen war anders. Er spürte keinen Hunger mehr, nicht mehr als normal jedenfalls. Dafür spürte er zwischen seinen Beinen den Schwanz. Er war weich und bewegte sich. Er stand auf und schlich ins Bad.

Dort betrachtete er der Schwanz. Er reichte bis kurz über den Fußboden. Er war mit dichtem weichen rotweiß-getigerten Fell bedeckt. Ein bisschen schien er schon seinen Kommandos zu gehorchen. Er zog die neuen Sachen an. Zum rotweißen Schwanz passte das Grün der Hose schon viel besser.

Jigra stand im Türrahmen. «Komm her, lass ihn mich ansehen. Nett. Etwas schwach auf der Brust. Training könnte dir gut tun. Kannst du ihn denn bewegen?»

Er schüttelte stumm den Kopf.

«Na kommt her. Du süßes Katerchen.» Sie leckte ihm über das Gesicht. «Was macht ihr Menschen denn so?»

Nun, er küsste sie, zumindest versuchte er es. War keine sehr gute Idee. Aber dann begann sie, an seinem Ohrläppchen zu knabbern, das war schon besser. Sie führte ihn in die Geheimnisse des Sex mit Katzen ein; er verschwieg ihr, dass es sein allererstes Mal überhaupt war. So verbrachten sie den Vormittag. Er fühlte sich richtig gut.

Jetzt hatte er auch eine Schwanzlänge, so gingen sie zur Registratur und er bekam eine Katzen-ID. Wahrscheinlich hätte dafür auch ein handbreites Schwänzchen ausgereicht, warum hatte er sich bloß einen hübschen - und das hieß nach Katzenmaßstäben eben lang und flauschig - Schwanz gewünscht? Außerdem meldete Jigra ihn für das Training für die Rehabilitation von Schwänzen und für ein Reflextraining an. (Drei tiefe Kratzer vom Liebesspiel bezeugten die dringende Notwendigkeit.)


Springen Sklaven Fallerian Katzen Außenseiter Girop Panik in Xyibeval Die Grähl Das Ende


Zurück zum Inhaltsverzeichnis oder zur Homepage.