Alians von Markus Pristovsek


Er sah wieder die Bilder an. Eingekleidet sah er ihnen durchaus ähnlich.

In wenigen Minuten würde er sich wieder unter diese Alians werfen müssen. Ihm graute, dabei waren sie gar nicht unfreundlich, wie er befürchtet hatte. Nun gut, sie wussten ja nicht, dass er nicht auf diesem Planeten aufgewachsen war. Im Gegenteil, diese gutgläubigen Leute auszunutzen, das ging ihm gegen den Strich.

Es war wie bei einer Jagd, wo ein Jäger sich über ein zu leichtes Opfer ärgert. Und die Menschen würden Opfer werden, zumindest würde man sie ausnutzen; natürlich würden sie weder den Planeten erobern, noch irgendwelche militärischen Aktionen unternehmen. Diese Gedanken waren absurd.

Allein daß sie hierher kommen konnten, deutete soviel Macht an, dass die Menschen gierig von ihnen um Almosen betteln würden. Zweimal hatten sie schon soetwas auf anderen Planeten gemacht. Und dort war es deutlich schwieriger gewesen, da die Bewohner ihnen völlig unähnlich waren.

Und diese Ähnlichkeit hatte ihn und 761 andere hier als Vorposten verschlagen. Es war eigentlich eine ziemlich unnütze Aufgabe, zumindest sah er nicht ihren Sinn. Aber sie wurde sehr gut bezahlt. (Dieses Argument gab es bisher bei jeder halbwegs intelligenten Lebensform; vielleicht gehen deshalb soviele Zivilisationen ein.) Außerdem hatte ihm diese Fremdheit gereizt. Und so hatte er mühsam die Sprache der hiesigen Region gelernt und sich sonst nicht weiter auffällig verhalten.

Er war sogar in der hiesigen Akademie. Zwar waren die Kenntnisse hier im Gegensatz zu den seinen völlig veraltet, aber wenn er eine hohe Position besetzten wollte, dann musste er sich langsam hocharbeiten. Manchmal war es lustig, die vergeblichen Versuche anzuhören, die Dinge zu erklären.

Aber jetzt war der Reiz des Neuen verflogen, die Routine war langweilig und er sehnte sich nach seinen Kameraden. Zur Geheimhaltung kannte niemand den Aufenthaltsort der anderen. Vor zwei Jahren hatte er einen aus einem Zug gesehen. Doch war das nur ein Augenblick, durch eine spiegelnde Glasscheibe hindurch.

Nur per QKM-Wellenempfänger konnten sie sich verständigen, die einzigen Lichtblicke, einmal die Woche ein Gespräch, der Bericht. Nun, viel hatte er nicht zu sagen, weder er noch sonst einer. Nur das Übliche, alles läuft fein.

Jedenfalls war das bis gestern so. Dann luden ihn die beiden anderen aus seiner Arbeitsgruppe, Katrin und Jörg, ins Kino ein. Er ließ die grauselig flackernden Bilder über sich ergehen. Es war mehr Folter für die Augen denn Vergnügen. Immerhin bekam er die Handlung mit, das war immer interressant, ob Literatur oder Film, Kreativität schätze er selbstverständlich auch. Und da er schon lange hier war, verstand er auch die zugrundegelegten Motive.

Nach dem Film liefen sie eine Weile zum nächsten Bahnhof. Auf ihrem Weg war ein Cafe, dort wollten sie einkehren. Doch es hatte ausgerechnet diese Woche geschlossen. Aber es war nur eine Querstraße von seiner Wohnung, und so ließ er sich überreden, sie zu sich einzuladen.

Er bat sie, draußen zu warten. Dann fing er kurz die Karinen ein und sperrte sie in ihren Käfig. Die wichtigsten Geräte wurden verstaut, die Papiere unordentlich auf dem Schreibtisch ausgebreitet.

 

Die Wohnung war für sie eine Art Kulturschock. Es gab keine Stühle, Sessel, keinen Tisch und kein Bett. An zwei Wänden waren Regale bis zur Decke. Aber rechts war Sand aufgeschüttet ca. einen halben Meter breit und vielleicht zehn Zentimeter hoch, roter Sand. Und danach begann ein Hologramm des Mars, eine Fortsetzung des Sandes. Nur wenn man dicht heranging, sah man, dass es ein Hologramm war.

«Tolles Hologramm an der Wand.»

Er fluchte still. Schon zu diesem Zeitpunkt war ihm klar, das es ein fürchterlicher Fehler gewesen war, sich überreden zu lassen. Wieso hatte er das Hologramm nicht abgeschaltet?

«Wo ist das aufgenommen?»

«Im Valle Marensis, 2500 Kilometer südlich von Olympus Mont, Dort...» Was redete er da?

«Fantastisch, man könnte glauben der Künstler war da. Von wen hast du das?»

«Selbst gemacht. Es war ganz schön schwierig. Allein für eine Ausleuchtung bräuchte man irrsinnig viel Leistung. Also habe ich es nachts mit vielen Blitzen getan. Am Ende wurde dann aus den Einzelbildern dieses Hologramm errechnet, dazu hatte ich es allerdings einschicken müssen.»

«Toll. Und was ist das?»

«Der Stein aus dem Hologramm. Er hat ein Kreismuster, wahrscheinlich natürlich entstanden.»

«Und dieser Stein ... »

«Nein, lass ihn liegen!» Doch sie hatte den Stein schon in die Hand genommen.

Der seltsame Stein war warm. Dann spürte sie einen stechenden Schmerz und taumelte rückwärts und schrie: «Ahh. Was war das?»

«Ein lebender Stein, übersetzt. Kommt von, egal. Komm, spül deine Hand ab. Der Stein wehrt sich mit Stromschlägen und Gift.» Er zerrte sie in die Küche. Sie hielt ihre Hand unter Wasser, während er in den Schränken kramte.

«Ok, hier ist ein Pflaster mit Gegengift. Ich klebe es dir hinter das Ohr.» Jörg war inzwischen ebenfalls in die Küche gekommen.

«Wer ist das auf diesem Hologramm da?»

«Jreddreen, mein Freundin, als...»

Katrin und Jörg starrten das Hologramm an. Denn dort war die Gestalt bis zur Hüfte menschenähnlich, nur dann begann weißgrau getigertes Fell und fesch lugte ihr langer strähniger Pferdeschwanz seitlich hervor.

Einen Moment waren beide ruhig, dann lachten sie. «Einen Moment hätte ich den Blödsinn fast geglaubt. Aber das Hologramm kann nur von einer Puppe sein, man kann Hologramme schließlich nicht verkleinern.»

«Du hast einen seltsamen Geschmack.»

«Ich finde ihn normal. Übrigens kann man Hologramme verkleinern, optisch, wenn man die Wellenlänge für die Aufnahme größer wählt. Wollt ihr Tee?»

«Was hast du für welchen?»

«Ganz besonderen, exotischen. Laßt euch überraschen.» In er kramte den besonderen Tee hervor und goss ihn mit kochendem Wasser aus seinem Boiler auf.

Sie gingen in das andere Zimmer und setzten sich auf den Fußboden, lehnten sich an eine freie Stelle, mit Blick in die Marsweiten. Ihre Blicke schweiften durch die Regal. Hatte er etwas liegengelassen?

«Kannst du Musik anmachen?»

«Nun ich weiß nicht, ob es euch gefallen wird.» Er sprach drei schnelle Kommandos und der Raum füllte sich mit dem Klassiker von Rebenderek.

«Hey, sprachgesteuert. Wusste gar nicht, dass man das schon kaufen kann?»

«Psscht», zischte Katrin, «ich will zuhören.»

Zuerst war nur ein unheilich tiefe Brummen, das höher und höher und höher wurde und doch immer ein Brummen blieb. Dann liefen andere Töne kontinuierlich von oben abwärts, bildeten mal Mehrklänge, klangen mal solo. Alles floss ineinander über. Ein faszierenden und zugleich entspannendes Klanggebilde. Oder, wie man heute sagen würde, ziemlich spacig.

«Naja, hast du nicht etwas mit mehr Rhythmus, Jazz oder so?»

Er stand auf und hatte schon die Schublade mit den Musikboard geöffnet, als ihm einfiel, daß dies ein weiterer Fauxpas war. Denn dort steckten, fein säuberlich aufgereiht, fünfhundertdreiundsiebzig IC, gerade stecknadelgroß. Eines blinkte.

«Was ist das?»

Wozu jetzt noch lügen: «Speicherbausteine. Das blinkende IC wird abgespielt. Und die blauen dort oben können noch bespielt werden.»

«Wo hast du das her?»

«Geschenkt bekommen. Es war die alte Anlage meines Freundes, er brauchte sie nicht mehr.»

«Ich glaube, ich verstehe nichts mehr.»

«Macht nichts. Trinken wir erstmal Tee.»

 

Nachdem sie beide vom Tee in das Reich der Träume befördert worden waren, begann er umzuräumen. Ein Bettgestell baute er über dem Sand auf. Das Hologramm und alles andere packte er hinter den Schild im oberen Regal. Einen Stuhl und einen Tisch klappte er auf. Jetzt sah alles wie in einer ärmlichen Studentenbude aus.

Dann weckte er sie. «Ich habe vielleicht etwas Seltsames geträumt.»

«Ja, das lag an meinem Tee. Ich bin die Wirkung seit langem gewohnt. Sind aber keine Drogen drin, ich kann euch beruhigen. Ist nur sehr entspannend. Und dann lief auch noch Rebendirck, spacig, wie du meintest, da bin selbst ich kurz weggedämmert.»

Jörg schüttelte den Kopf heftig, um wach zu werden. «Wie spät -- oh, schon Mitternacht durch. Hey, dann machen wir uns mal schnell auf die Socken.»

«In zehn Minuten geht der letzte Bus zur Kirche. Den solltet ihr ohne Probleme bekommen.»

Hastig zogen sich die Schuhe an. «Danke für den Tee, aber beim nächsten Mal bitte vorwarnen.»

«Wenn ihr euch anmeldet, dann habe ich auch etwas vernünftiges im Haus. Kommt gut nach Hause.»

«Danke für alles, bis morgen, tschüss.»

Sein Lächeln erstarb nur zwei Millesekunden, nach die Tür ins Schloss gefallen war. Es war eine anstrengende Nacht, alles wieder halbswegs aufzuräumen ...


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