Panik in Xyibeval von Markus Pristovsek


Es war nach dem dritten Sprung. Als sie ein bekanntes System am Rande streiften, war eine Nachricht dabei, eine kodierte Nachricht für ihre Ladung. Kodezahl war die Leistung der bestellten Spulen. Es war eine schlichte kurze Textnachricht: ,,Erwarten sie dringend. Wissen nicht, wie lange wir noch aushalten können." Das klang nicht sehr vielversprechend. Doch dann waren sie schon wieder aus dem Empfangsbereich der Nachrichtenboje heraus und rasten dem nächsten Countdown entgegen.

Der vierte Sprung war tief im Raum zwischen den spärlichen alten Sternen hier draußen. Während sie Anlauf für den letzen Sprung nahmen, überholten sie noch einmal Rike mit den Ersatzteilen, so sie denn passten.

 
«Marik! Kira! Aufwachen!» Rike wiederholte es immer wieder.

«Rike, bin wach», brummte Marik.

«Marik, Systemboje lieferte ein Bild nur für uns und schaltete sich dann ab.»

«Rike, Holo!» Sofort erschien die dreidimensionale Projektion. In der Mitte Xyibeval und die Station. Xyibeval war ein Gasriese mit einem Mond, auf dem es große Vorkommen an schwerem Wasser gab. Von der Station aus waren diverse kleine Schiffe, die sich alle in mehr oder weniger eine Richtung von der Station weg bewegten. Doch er sah keine Ursache dafür.

«Marik, die Station ruft uns.»

«Rike, was wollen sie?»

«Marik, Die Nachricht lautet: ,,Wir erwarten sie dringend. Bitte springen sie zum Punkt 3887/0089/0003, sie haben höchste Priorität." Marik, diese Nachricht wird ständig wiederholt. Soll ich springen, es dauert nur 0012.»

«Rike, irgendwas ist faul. Aber springe sofort.»

Der Raum faltete sich und Marik schloss die Augen. Die niemals vertrauten 4D Geräusche sammelten sich wieder um ihn. Doch nach erstaunlich kurzer Zeit war wieder alles vorbei. «Rike, Status?»

«Marik, bremsen für Synchronisation. Sind dichter an der Station herausgekommen.»

Marik schaltete ein Bild ein. Verdammt dicht. Er rief die Station. Es dauerte etwas, bis jemand antwortete. Sie wiesen ihnen einen Dockingplatz zu. Sofort begann er mit den Anflugprozeduren, während Kira noch immer betäubt dalag.

Erst als sie ruckend einrasteten, wachte sie auf. «Was, schon da? Wie sieht es denn drüben aus?», fragte sie, und schaltete auf den Stationsmonitor für die Docktüren. Sofort waren beide hellwach, denn das Dock wurde von bewaffnetem Stationspersonal bewacht, bestimmt 30 Soldaten standen dort.

Kaum waren ihre Systeme halbwegs heruntergefahren, wollte einer der Bewaffneten an Bord kommen. Es war ein Xyiberier, aus dem Nachbarsystem. «Wir hatten nicht mehr gedacht, dass ihr es noch schaffen könntet. Wir müssen sofort ausladen. Leider können wir euch fast keinen Treibstoff mehr geben, aber wir tun, was wir können. Wir müssen soviele Schiffe wie möglich reparieren.»

Sie waren baff. «Was ist denn passiert?»

«Habt ihr denn keinen Tiefraumfunk? Die Jatesianer wollen dieses System hier annektieren. Diese Station ist nicht zu verteidigen, also wird sie evakuiert. Wir haben nur zu wenig Schiffe, denn wir müssen mindestens nach Xyiberi evakuieren, das heißt ein Sprung. Und das Ultimatum läuft in 8700 aus.»

«Was!», riefen Marik und Kira gleichzeitig.

«Wir werden jetzt ausladen, so schnell wir können. Ein Rat noch: bleibt an Bord. Ich weiß nicht, wie lange noch meine Leute mir gehorchen werden. Viel Glück noch.» Dann drehte er sich um und ging schnurstracks wieder von Bord.

Kira erwachte als Erste aus ihrer Erstarrung. «Rike, Schott verriegeln, Laderaum auf Druck bringen und dann öffnen.» Immer noch hatte sie ihre Lippen hochgezogen und präsentierte ihre Reißzähne.

«Kira, bitte, du machst mir Angst.»

Sofort legte sich wieder ihr Fell und sie war wieder die normale Kira. «Ich habe auch Angst.»

«Wir können nur warten. Erst einmal brauchen wir Treibstoff. Du siehst, etwas bekommen wir noch. Ich werde mich hinlegen, ich bin noch immer müde vom Sprung. Wir müssen ja bald wieder weg.»

«Marik, erst essen. Oder muss ich dich prügeln?» Sie zeigte wieder ihr Raubtiergebiss. Und Recht hatte sie, also aßen sie noch etwas, bevor sie müde in die Betten fielen. Kurz bevor sie einschliefen, hörten sie noch, wie das Laderaumschott sich wieder schloss, der Laderaum war nun leer. Es fehlte nur noch der Treibstoff zum Abflug.

 
«Marik, wach auf.»

Jemand rüttelte ihn sanft. Kaum öffnete er ein Auge, da war er auch schon hellwach. «Jerka!»

«Psst.» Sie legte den Finger auf den Mund und bedeutete ihm, ihr zu folgen.

Sie saßen in der Kombüse. «Marik, ich weiß nicht genau, warum ihr hier seid. Aber ein Jatesischer Kreuzer ist soeben aus dem 4D gefallen. Ihr müsst weg von hier, alle anderen Schiffe sind im 4D verschwunden. Und vor eurer Schleuse ist ein Mob gerade dabei, sich durch die Schotten zu schweißen.»

Marik aktivierte den Schirm. Soweit die Kamera blicken konnte, standen Leute, die miteinander kämpften, um näher an die Schleuse heranzukommen und dabei die vorderen Reihen fast zerdrückten. Das Laserschweißgerät konnte so immer nur kurz arbeiten.

«Rike, wieviel Leute sind noch auf der Station?»

«Marik, ungefähr 20000.»

Er sah zu Jerka, die auf einmal kreidebleich wurde. Dann hatte sie sich wieder gefasst. «Rike, 20000 ist das richtig?»

«Marik: Bestätigung 20000.»

Jerka sprang auf. «Wir müssen etwas tun. Immerhin hast du einen SI-OP.»

«Und wozu soll der SI-OP gut sein?»

Und dann flackerte der Raum um sie kurz auf, und sie standen in der Zentrale.

Die Zentrale lag verlassen da, doch hier war noch vor kurzer Zeit gekämpft worden. Zwei Konsolen waren bis zu Unkenntlichkeit verschmort und kokelten noch, viele Displays waren dunkel, manche zerbrochen. Auf sieben Schirmen liefen Countdowns für kritische Sequenzen, vom Vorsagen der Lebenserhaltung bis zu einer kritischen Instabilität im Reaktor. Er stank schrecklich nach verbranntem Plastik. Beide mussten sie husten.

Nachdem Marik wieder Luft bekam, platzte er los: «Was soll das? Erst sagst du, wir müssen los. Und das Chaos hier, das sagt das auch.»

«Wir müssen den Leuten helfen. Bitte Marik. Ich muss.» Sie stand vor ihm und sah aus, als weinte sie.

«Bitte, ich würde ja auch gerne. Aber wenn wir den Laderaum öffnen würden, nur einen Spalt, dann würden sich Tausende darin zerdrücken. Oder hast du einen besseren Vorschlag.»

«Ja, wir werden dazu deinen SI-OP nutzen. Wir werden die Leute springen lassen. Weisst du wie ein SI-OP funktioniert?» Unvermittelt plärrte ein unverständlicher Alarm los.

«Ich denke, ein SI-OP funktioniert wie eine Spule», schrie er durch den Lärm.

Ruhig und still stand Jerka da. «Und warum funktioniert eine Sprungspule?», fragte sie sarkastisch.

«Verdammt, was soll das? Ich denke du willst helfen.» Doch sie verzog keine Miene. «Also gut ich weiß nicht genau, warum eine Spule funktioniert, es gibt da genug Wissenschaftler, die daran forschen.»

«Keiner weiß es.» Plötzlich sah Jerka wieder so betrübt aus. «Kannst du hier irgentwie Nachrichten schicken?»

Unschlüssig blickte er auf den halbzerstörten Kontrollstand. «Vielleicht könnte es Rike vom Schiff aus. Warte, ja ich könnte eine Durchsage auf der äußersten Ebene über Rike machen.»

Jerka flackert kurz, scheinbar war sie eben in 4D und sofort wieder zurück. «Sag ihnen, sie sollen zum Dock 4-O gehen. Dort würden sie evakuiert werden.» Er sah sie groß an. «Na los, sag es ihnen.»

«Wie willst du das machen?»

Jerka war wie ausgewechselt, Jetzt lächelte sie sogar. « Wir werden es machen! Los, mach die Durchsage, und dann gehen wir sofort zu 4-O. Und versuche sie zu beruhigen.»

Er zuckte mit den Schultern. «Achtung, an alle auf der Station. In 0100 wird von Dock 4-O evakuiert. Es wird keiner zurückgelassen, das Krankenpersonal wird gebeten, alle Kranken mitzubringen. Sie haben bis 0500 Zeit.» Er schaltete ab. «Wenn dann die Station noch existiert», murmelte er zu sich selber.

Jerka war wieder blass. «Halt mich, Marik. Ich hab Angst, Angst vor soviel Leben. Angst, soviel Leben sterben zu sehen.» Sie zitterte. «Schnell.» Sie zog ihn ins 4D und sofort wieder heraus. Der SI-OP, den er um den Hals trugt, fühlte sich an, als glühte er. Dann war wieder alles normal, er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. 4-O stand auf dem Dock hoch über ihnen.

 
Kira hatte die Durchsage auch gehört. Genauso wie der Mob draußen vor der Dockingschleuse. Es war still geworden, während die Ansage dreimal wiederholt wurde. In die plötzliche Stille hörte man ein Korrekturtriebwerk feuern. Kira spürte, dass es viel zu kurz war, doch der Menge draußen war es ein Signal der Hoffnung. Sie begann sogar, sich zu zerstreuen.

Doch wo war Marik? Hatte Marik dies etwa getan, um sie zu retten? Das durfte einfach nicht wahr sein. «Rike, Status der Station, Zahl der Schiffe und so!»

«Kira, nur wir. Station stabil, keine kritischen Strukturschäden. Lebenserhaltung ausgefallen, Notenergie noch für 1000, Treibstoff verbraucht, Stabilisierung ausgefallen. Reaktor kritisch in 2500. Lebensdauer im Orbit 107. Jatesischer Kreuzer liegt noch einen Viertelorbit hinter uns. Rendezvous in ca. 0400. Details?»

«Rike, Danke.» Es war nur Reflex.

Sie sah wieder auf den Monitor für die Dockingschleuse. Niemand war mehr da, nur vereinzelt sah man Leute vorbeihetzen.

Mehrmals rief sie Marik, doch die Stationskommunikation war außer Betrieb.

 
«Also, du willst eine Art 4D-Tor aufmachen?» Marik sah Jerka zweifelnd an. «Das geht doch gar nicht.»

Sie schüttelte den Kopf. «Es geht schon. Zweifel nicht so viel, dann wird es noch besser gehen. Haben nicht auch alle gesagt, man kann nicht mit weniger als 100 % springen?»

Sie hatte ihn, jetzt musste auch Marik lächeln: «Ok, zeigen wir es ihnen. Aber was muss ich dazu tun?»

«Ich gehe an das andere Ende des Tores. Dann öffne ich es durch deinen SI-OP. Dann versuche ich, es solange wie möglich offen zu halten. Du darfst dich die ganze Zeit so wenig wie möglich bewegen. Und natürlich musst du die Leute dazu bringen, in das Tor zu gehen. Sag ihnen, sie sollen die Augen schließen, das hilft etwas. Ich werde dich dann, wenn die Tor zusammengebrochen ist, an einen sicheren Ort ziehen. Es tut mir schon jetzt Leid.»

«Was meinst --» Doch sie war schon verschwunden, ohne zu sagen, wo überhaupt das Tor sein würde. Am besten wäre es, wenn es dort wäre, wo normalerweise die Schleusentür ist. Bloß wie sollte er ihr das sagen? Also lief er auf die Schleuse von 4-O zu. Gerade stand er neben der Schleuse, als der SI-OP zu kribbeln und ganz ganz hoch zu sirren begann. Er lehnte sich gegen das nächste Schott, um möglichst lange ruhig zu stehen.

Seine Befürchtung, man könnte das Tor nicht sehen, waren völlig unbegründet. Direkt vor der Schleusentür erschien ein bläulicher Lichtpunkt. Er spürte, wie der SI-OP an der Kette zog, als wäre er ein Magnet, der von dem Lichtpunkt angezogen wäre. Das hohe Zischen wurde zu einem tiefen lautlosen Dröhnen, als sich der Punkt zu einem blauflammend gefassten Kreis weitete, aus dessen Mitte gleißendhelles weißes Licht strahlte. Man spürte förmlich, wie der Raum dagegen protestierte. Das unhörbare Brummen wurde noch stärker. Doch der Kreis blieb stabil. «Los, geht da durch!», schrie er. «Das ist ein Dimensionstor, auf der anderen Seite seid ihr in Sicherheit! Einfach die Augen schließen und durchgehen.»

Ein Jäste ging zögernd darauf zu. Schließlich verschwand er im Tor, um gleich darauf wieder zurückzukommen. «Es geht. Grüner Planet anderer Seit!», rief er und verschwand wieder im Tor. Jetzt gab es kein Halten mehr, alle drängten sich auf das Tor zu. Es weitete sich noch ein wenig, zeigte von Zeit zu Zeit Wellenstrukturen am Rand, blieb aber mit dem unheimlichen stillen Tosen stabil.

Zehnt um Zehnt zogen Leute vorbei. Gut, er hatte auf den Computer gesehen, 31900 waren es, bevor aufgehört wurde, die Listen zu führen. 20000 mochten jetzt noch auf der Station gewesen sein, als sie in die Zentrale gekommen. Wie lange dauerte es, bis so viele Leute durch ein Tor gingen?

 
Es waren 0400 vergangen, seit das Tor sich geöffnet hatte. Der Strom der Flüchtenden hatte langsam nachgelassen, eben waren wirklich Zwei von der Krankenstation da gewesen und hatten die ersten Kranken gebracht. Mit etwas Glück würde keiner zurückbleiben müssen. Aber die SI-OP wurde immer schwerer, und immer öfter flackerte das Tor kurz. Schweiß rann seine Stirn herunter.

Eine Zentaurin kam auf ihn zu. Sie trug die Uniform der Station. «Los, du siehst mies aus. Ich helf dir durch das Tor und werde die Leute weiter einweisen.»

«Nein, nicht näher!», schrie er entsetzt. «Verdammt, ich halte das Tor aufrecht. Los!»

Sie blieb unschlüssig einen halben Meter vor ihm stehen. Gerade flackerte das Tor wieder entsetzlich. Als er wieder einen kurzen Blick riskierte, stand sie immer noch vor ihm und musterte ihn. «Verdammt, wenn du schon nicht durch gehen willst, dann durchsuch die Station. Mach eine Durchsage in allen Sektoren. Falls das Tor weg ist, mein Schiff liegt bei 1-F, etwa zwanzig Leute können wir einen Sprung weit bringen. Sage Kira, Marik hat dich geschickt. Und jetzt los!»

Die Zentaurin galoppierte tatsächlich weg vom Tor auf die Suche nach Kranken oder Behinderten, die nicht so einfach hierher kommen konnten. Unmittelbar darauf erzitterte die Station und eine automatisch Ansage begann: «Achtung, Achtung: Dekompression in den Sektoren H und I. Die Sektoren sind unverzüglich zu verlassen. Der Aufenthalt im Bereich der Sektionsschotte bei laufenden Drehleuchten ist verboten.» Und wieder von vorne.

Kurze Zeit später hörte er erneut Hufe, wagte jedoch nicht, sich umzudrehen, da das Tor jetzt fast ständig flackerte. Aber er hörte, wie die Zentaurin jemanden anschrie: «Entweder schleift ihr sie mit, oder ich richte euch noch schlimmer zu!» Kurze Zeit später schleifte jeder, der durch das Tor trat, eine Krankenbahre mit. Sechsmal kam sie vorbei. Mehr als hundert Kranke zählte er. Immer langsamer kamen jetzt noch welche.

0015 lang war keiner mehr durch das Tor getreten. Marik riskierte es, sich umzudrehen. Im gleichen Moment spürte er, wie das Tor verlosch. Gleichzeitig war absolute Stille. Dann spürte Marik, wie sich neben ihm der Raum faltete, Jerka, wollte ihn wie angekündigt in den 4D zu sich ziehen. Doch das durfte sie nicht! «Nein!», rief er, und machte einen Schritt seitwärts. Und tatsächlich, der 4D öffnete sich nicht, die Raumverzerrung faltete sich kraftlos wieder zusammen.

Erst jetzt merkte Marik, wie schwach er war. Nach drei torkelnden Schritten fiel er langsam seitwärts. Dann hörte er vor fern Hufe. Er wurde hochgehoben. Es war die Zentaurin. «Die Jatesier sind schon da. Ein Warnschuss hat Sektor H zerstört. Sie haben Shuttles ausgeschickt. Hörst du sie nicht?»

«Tor weg. Rike, 1-F», murmelte er schwach.

«Nichts ist einfach!», fluchte die Zentaurin, dann hob sie ihn auf und galoppierte zu 1-F. Sie waren gerade an der Grenze zur 3er Sektion, als die Station erneute bebte. Selbst die Zentaurin warf es von den Hufen. Schnell rappelte sie sich wieder auf. «Bastarde, sie jagen die Schleusen der Sektionen einfach in die Luft!» Dann sprang sie auf die langsam schließenden Sektionsschotten zu. Auf der anderen Seite verharrte sie kurz an einem Stationsterminal und gab zwei Sequenzen ein. Dann galoppierte sie mit Marik weiter, so schnell sie konnte.

 
Die Schleusenglocke klingelte seit 0030 Sturm. Kira ignorierte es. «Kira, die Station sagt, Marik ist da draußen.»

Kira aktivierte misstrauisch den Monitor und schrie auf. «mich. Ich soll Kira sagen, Marik schickt mich.»

«Schnell kommt herein!» Kira rannte zum Schott.

Sofort stürmte die Zentaurin herein und legte den immer noch bewusstlosen Marik ab. «Los, wir müssen weg. Auf der anderen Seite haben mehrere Jatesische Shuttles angedockt. Stille Selbstzerstörung Nummer 2 läuft, wird haben noch 0250. Alle Stationssequenzen, sofern überhaupt noch etwas funktioniert, sind bei uns.»

Kira war verwirrt, aber wegfliegen war sicher keine schlechte Idee. «Rike, alles fertig, abdocken jederzeit.»

«Kira, Abgedockt.»

«Könnt ihr für 0010 im 4D verschwinden?», fragte die Zentaurin.

«Rike?»

«Zentaur, ich brauche dafür 0070. Wozu?»

«Die gesamte Notenergie könnte den alten Nachrichtenlaser speisen. Damit könnten wir den Kreuzer für kurze Zeit blenden. Dann müssten wir direkt auf den Kreuzer zu und dann durch ihn hindurch springen.»

Kira stand mit offenem Mund da.

«Das hat auch den Vorteil, das der Kreuzer uns vor der Strahlung schützt, die dann bei der Selbstzerstörung frei werden würde.»

«Da, da, da. Wahnsinn!», stammelte schließlich Kira. «Man, dass hier ist ein ururaltes Katzenschiff. Unsere Spulen pfeifen auf dem letzten Loch, Treibstoff ist fast aus, und wir sollen direkt auf einen Jatesischen Kreuzer zu fliegen?»

«Wenn wir einem ihrer Shuttle entkommen können, dann fliegt den Kurs.»

«Rike, können wir einem Shuttle entkommen?»

«Kira, nur wenn wir häufiger springen als sie. Wahrscheinlichkeit kleiner 17 %.»

«Rike, und der andere Plan?»

«Kira, Wahrscheinlichkeit etwa 60 % beim ersten Versuch, 2 % beim zweiten.»

Kira seufzte. «Na dann hoffen wir, dass das noch nie jemand anderes probiert hatte. Los, programmier den Laser.»

Kurz darauf war alles getan. Kira beugte sich endlich über Marik. Er schlief friedlich, doch er stank. Oh er stank nicht nur nach verbranntem Plastik, sondern nach verbranntem Fleisch, verdammt, warum hatte sie das nicht gleich gemerkt. Sie riss ihm das Hemd herunter. Der SI-OP hatte sich in die Haut gebrannt, so dass er selbst nicht mehr zu sehen war. Nur noch die Kette kam weiter seitlich zum Vorschein. Sobald sie die verbrannte Fläche auch nur berührte, verkrampfte er sich und schrie auf. Dann versank er wieder in Bewusstlosigkeit.

«Ich weiß leider auch nur wenig über die Versorgung von Verbrennungen bei Humanoiden. Aber ganz wichtig ist es wohl, die Wunde sauber und den Patienten warm zu halten», sagte die Zentaurin, die neben ihr auf ihren Vorderbeinen kniete.

Jetzt erst musterte Kira sie gründlicher. «Ich bin Kira, Marik ist mein Kater», sagte sie.

«Ich bin Mr'ansato Katiree. Nenn mich Katiree, das ist für die meisten einfacher. Müssen wir uns jetzt nicht langsam betäuben?»

Kira schüttelte den Kopf. «Bei so einem Manöver lieber nicht. Man kann gefahrlos kurzzeitig 4D ertragen, wenn man ein paar Dinge beachtet: Nicht bewegen, nicht schreien. Marik macht das ständig so, dann werden wir das ja wohl auch hinkriegen.» Sie lächelte schief. «Rike, wie lange noch?»

«Kira, 0146,7»

Kira gab der Zentaurin die Hand, um ihr aufzuhelfen, eine mehr symbolische Geste, wo diese doch mindestens das dreifache wog. Dann schnallte Kira erst Marik in seinen und dann sich selbst in ihren Sitz; die Zentaurin verkeilte sich zwischen den Sitzen. «Jetzt heißt es warten.»

 
Der jatesische Offizier 17/4/c, zuständig für Radarüberwachung, stand (oder lag, denn normale Jateser waren raupenähnlich, und nur die wenigen Erwachsenen hatten einen menschenähnlichen Körper; einen schwer gepanzerten, sechsarmigen Körper) vor der Radarkonsole. Plötzlich tauchte auf dem computergefilterten Klangschirm ein neues Objekt auf. Es war schrill umrandet, es lag auf Kollisionskurs. Ein Trümmerstück der Station, sonst hätte es der Computer schon eher gemeldet.

17/4/c aktivierte die Kommunikation zur Waffenkontrolle. «17/4/c hat ein Trümmerstück gefunden.»

An der Waffenkontrolle saß einer der vierzig Erwachsenen. Geübt aktivierte er einen weiteren Klangschirm, auf dem das fragliche Objekt auftauchte. Verdampfen, das was am einfachsten. Sonst konnten weitere Trümmer entstehen.

Langsam luden sich die Kondensatoren des schweren Lasers, er aktivierte die Zielerfassung und den automatischen Countdown. Dann gab es plötzlich infernalischen Lärm auf allen Scannerbänden und danach war wieder Ruhe. Der Laser feuerte wie befohlen. Doch dann wurden alle Waffensysteme von ihr, der Königin, deaktiviert.

 
Sie ließen sich auf den Jatesischen Kreuzer zu treiben, wie ein Stück Weltraummüll. Sie wurden lange, lange ignoriert. Schließlich war der Countdown bei 0004. Dann sahen sie auf der Tiefraumkamera, wie ein schwerer Laser langsam herumschwenkte. Doch bis dieser sie fixieren würde, wären sie sicher im 4D.

Sie sahen noch kurz den Kreuzer im roten Licht des Stationslasers aufleuchten, doch im selben Moment waren sie im 4D und die Triebwerke feuerten, was sie konnten. 0001, eine kurze Ewigkeit später, waren sie wieder im 3D. Kira schüttelte sich und hörte, wie Katiree stöhnte. Nur Marik schlief friedlich, wie es schien.

«Rike, Status?»

«Kira: Kreuzer liegt achteraus. In unserer Schusslinie lag noch ein Shuttle, dass gerade einen Notruf sendet. Der Kreuzer hat die Triebwerke heruntergefahren, entweder suchen sie jetzt gezielt, oder sie sind stark verwirrt. Kira, welchen Kurs sollen wir jetzt nehmen?»

«Rike, ich schlage Djerba vor, mit einem langen Sprung.»

Kira fuhr herum, und die Zentaurin starrte einfach nur starr nach hinten, wo Jerka stand. «Was, wie, ... ?» Kira brachte keinen vollständigen Satz zusammen.

«Nachdem das Tor zusammenbrach habe den gesamten 4D abgesucht, aber erst als ihr gesprungen seid, konnte ich euch finden.»

Kira konnte es nicht fassen. «Ich verstehe gar nichts. Und wie kommst du überhaupt hierher.»

Jerka nickte nur. «Du hast Marik diese Geschichte nie geglaubt.» Sie lachte. «Welcher Pilot würde es auch? Willst du nicht wissen, was wir gemacht haben?»

Kira sprang förmlich aus dem Sitz. «Allerdings möchte ich gerne wissen, was ihr gemacht habt! Marik liegt halb im Koma!»

«Sie haben die Station evakuiert», sagte die Zentaurin. «Ich weiß zwar nicht, wie sie es gemacht haben, aber sie haben ein Dimensionstor errichtet, durch das die Leute auf irgend einen grünen idyllischen Planeten gebracht wurden. Wer hier einfach im 4D erscheint, dem dürfte nichts unmöglich sein.»

Jerka wurde wieder ernst. «Es war der Mond im Hauptsystem von Xyiberi. Marik war der zweite Fokus, ohne ihn hätte es nicht funktioniert. Ich staune, dass er so lange durchgehalten hatte, viel länger hätte ich das Tor auch nicht offenhalten können. Aber wir haben 21 713 Leute gerettet.»

Kira wusste nicht, was sie sagen sollte. Mehrmals setzte sie an und schloss den Mund dann wieder. Schließlich sagte sie leise: «Muss Marik jetzt dafür sterben?»

Jerka ging zu Mariks Liege. Gemeinsam beugten sie sich darüber. Jerka fühlte kurz den Puls. «Ich könnte ihn zu einer Operation wegbringen. Aber ich denke, er wird es gut so schaffen.» Von irgendwoher hatte sie plötzlich einige Kräuter in der Hand. «Daraus müsst ihr einen dicken Sud kochen und auf die Wunde streichen. Gebt ihm zwei von diesen Tabletten, dann schläft er friedlich die fünf Tage, die ihr für den Sprung wohl brauchen werdet.» Plötzlich wirkte sie wieder müde. «Ich muss weg, nach Hause, ihr glaubt gar nicht, wie anstrengend ein Tor ist. Bis irgendwann und irgendwo.» Die letzte Silbe war noch nicht ganz ausgesprochen, da war sie schon weg.

«Wer ist sie denn nun? Oder eher was?», fragte die Zentaurin.

Kira zuckte mit den Achseln. «Ein Mythos, ein Gerücht in den Pilotenkneipen: Eine Kibanderi, eine Sprungreiterin. Das, was Mariks Brust verbrannt hat, ist ein SI-OP. Vielleicht wurde der so heiß, als sie das Tor geöffnet hatte. Gegen Mythen ist man als normale Katze, Zentaur oder was auch immer ziemlich machtlos. Komm, machen wir schnell den Sud und bereiten dann den Sprung vor. Vorher müssen wir dich aber wiegen.»

Da ging ein Zittern durch das Schiff. Kollision- und Sprungalarm gingen beide kurzzeitig los, verstummten wieder. Das Licht flackerte. Endlich meldete sich Rike: «Kira, die Xyibeval-Station ist explodiert. Raumverzerrung Stärke vier Komma sechs. Die Spulen hat es aus den Kontakten gerissen. Reaktor hat ein kleines Leck. Triebwerk bei 48 %, drei Filamente durchgebrannt. Der Ersatzscanner für 4D antwortet nicht. Sieben kleine Lecks in der Außenhaut. Kreuzer ist in sechs große Teile zerbrochen, einige Trümmer auf Kollisionskurs. Details?»

«Rike, nein, Ausweichmanöver. Ich werde nach den Spulen sehen. Katiree, kümmere dich um Marik!» Kira lief zum Raumanzug. Hoffentlich war nichts Ernstes mit den Spulen passiert.

 
Schon 0029 später hing sie im Raumanzug über den Kontakten. Die ganze Leiste mit den drei Spulen hatte es aus der Wand gerissen. Nur noch Spule vier, wo einmal die Kontakte ersetzt worden waren, hatte noch Kontakte da, wo sie hingehörten. Sie steckte die beste Spule in die Kontakte. «Rike, wieviel?»

«Kira, 88 %.»

«Rike, ich fürchte, ich muss manuell zünden. Welches ist das nächste System, wo man etwas reparieren könnte?»

Es dauerte etwas. «Kira, für die manuelle Zündung schlage ist Spule 4 vor, die ist bei 46 % Djerba ist einziger Zielort, der nicht in Jatesischer Hand ist. Drei Tage 7016 Sprungdauer. Ich bereite die Pflaster vor.»

Kira seufzte. «Rike, bereite alles vor. Ich muss nochmal raus, die Tanks des Anzugs füllen und so. Irgendwelche Lecks in der Außenhaut, die ich auf dem Rückweg dichten könnte?»

«Kira, zwei am Laderaumschott.»

Gut 0200 später war Marik versorgt und betäubt, Katiree lag betäubt daneben und nur Kira lag im Raumanzug neben der Zündspule. Sie hatte es sich einmal von Marik zeigen lassen. «Rike, gib mir den Countdown.»

Rike zählte brav abwärts. Die Zündung klackte im Leerlauf. Sie drückte die manuelle Überbrückung. Der Raum faltete sich tatsächlich um sie herum. Sie ruckte mit dem Kopf durchwärts, oder wie man diese Richtung im 4D bezeichnen würde, in 3D war es seitwärts. Sie spürte die Pfaster und sank in die Betäubung.

 
Der Sauerstoffalarm ihres Anzuges pfiff. Schnell krabbelte Kira zurück. «Rike, Status!»

«Kira, 11 Tage von Djerba entfernt. Sprungleistung weniger 2 % Reaktor 67 % Triebwerke 41 %.»

Kira jubelte laut. Sie hatten es irgendwie wieder einmal geschafft. Sie war wirklich auch so ein verrückter Raumfahrer wie Marik geworden. Der Sauerstoffalarm pfiff noch eine Oktave höher. Schnell krabbelte sie weiter.


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