Könnten wir Ihren Dosenöffner haben? von Markus Pristovsek


Die letzten gelben Schatten waren grau geworden. Sie waren seit dem späten Nachmittag unterwegs, er führte sie ein wenig in die Wildnis. Sie waren dennoch guter Dinge, so jung war alles noch eine Spiel, hatten sie doch fast ihre Erwachsenenkraft aber noch ihre jugendliche Frische. Er dagegen spürte deutlich, das er in den letzten Tagen nur wenig gelaufen war.

Doch jetzt war die Zeit zum Rasten gekommen, es war zu dunkel um weiterzugehen, zu gefährlich: man sah kaum mehr seine Hufe. Schnell waren die Decken ausgelegt und Jebendas hatte ein Feuer entfacht. Kleine grüne Flammen flackerten unter dem klaren Sternenhimmel. Phaedra und Kimon standen tief am Himmel, sie würden bald auf der anderen Seite von Gjj stehen. Er dachte daran, daß er seinen Eltern auf Kimon schon fast ein Jahr nicht mehr geschrieben hatte. Streit unterbrach seine Gedanken, er richtete sich auf: «Kiliß und Jargos, was soll das?»

«Kiliß hat den Öffner vergessen.»

«Hab ich nicht. Ich sollte Essen holen, genau das habe ich getan. Du solltest dich um das Material kümmern, du hast den Öffner vergessen.»

«Leute, Leute, ruhig. Wozu braucht ihr denn den Öffner?»

Gleichzeitig riefen sie: «Für das Kirmas» Schade, auch er hätte gerne Kirmaskompott gegessen. Nur durfte er sich keine Blöße geben ... «Dann essen wir es Morgen. Wir werden schon einen Öffner auftreiben.»

«Wir wollen das aber jetzt haben!», quengelten sie.

Er pfiff leise. «Es geht nicht! Soll ich das Kirmas einfach zerquetschen? Dann ist es zwar offen, aber die Hälfte ist verloren im Sand. Man kann eben nicht immer alles sofort haben. Ihr werdet oft genug im Leben noch Kirmas haben.» Versöhnlich fügte er hinzu: «Ich werde mich um einen Öffner kümmern, sobald wir auf jemanden stoßen, werde ich ihm den Dosenöffner abnehmen und dann gibt es Kirmas, ich verspreche es.»

Sie wandten sich keineswegs befriedigt wieder dem Kochen zu. Der Rest ging schnell und bald brodelte das Wasser im Topf. Fahler Dampf vermischte sich mit dem grünen Feuer und stieg kräuselnd in den Himmel. Es war die Nacht, wo Gjj mit der Sonne unterging, so daß es sehr dunkel war, nur die Sterne stande am Himmel. Außerdem war dieses Jahr die seltene Konstellation, daß die großen Schwestermonde fast nicht sichtbar waren, nur alle 17 Jahre war es der Fall. Bei letzten Mal war er 17 gewesen, und von den anderen hatte es sicher noch keiner erlebt.

Mehr und mehr Sterne kamen zum Vorschein. Während die anderen sich um das Essen kümmerten, suchte er aus seiner Satteltasche die Sternkarte heraus. Es war schwierig, wenn soviel mehr Sterne als gewöhnlich am Himmel standen, dennoch fand er die weiten Sternbilder. Er mußte wieder die Anleitung hervorholen, um sich noch einmal verständlich zu machen, welcher Zyklen für die Berechnungen wichtig waren.

Das Essen war fertig. Es schmeckte auch ohne Kirmas ganz gut; es war leicht angebrannt, aber lecker und vor allem heiß. Nach dem Essen und dem Auswischen des Eßgeschirrs, ließen sich alle um das Feuer herum nieder.

«Wer kann mir sagen, warum es heute so dunkel ist?»

«Weil wir fast hinter Gjj sind.»

«Was heißt das denn genau?»

«Naja, wir, also der Planet, ich meine, hier, wir kreisen um Gjj, einmal, das ist ein Jahr, oder einhundertzwölf Tage. Und zu Dunkelzeit, da ist die Sonne hier und Gjj da, also sieht man beide zugleich. Zur Hellzeit, sieht man nachts Gjj und tags die Sonne. Und jetzt sieht man halt nichts.»

Er zeigte in den Himmel: «Sehr gut. Man sieht nicht einmal die Schwestern, dafür aber viele Sterne, ganz weit entfernte Sonnen. Man sieht Meteore, Steine, die in der Atmosphäre verglühen. Hier, ich habe einen Sternatlas mit. Er schaltete das Gerät ein. Seht ihr, so sehen Meteore aus. Sie sind nie sehr hell, deswegen sieht man sie nicht so oft. Am häufigsten sind sie in dreißig Tagen kurz vor Sonnenaufgang. Hier ist der Sternenhimmel von heute simuliert. Sucht doch mal die Sterne heraus.»

Die Sternkarte ging ringsum. Doch er sah, wie müde sie waren und deshalb teilten sie schnell die Wachen ein. Er würde die Erste übernehmen.

Leise richtete er sich auf alle Viere und legte vorsichtig ein Scheit in die Glut, knickte seine Vorderbeine ein und blies solange in das Feuer, bis ihm leicht schwindlig wurde. Endlich brannte es. Sie würden für die Wache mehr Kleinholz brauchen, also ging er ein Stück vom Feuer weg. Dort stand ein trockener toter Wackeebusch. In der Stille ringsum klang das Brechen der Zweige wie eine Explosion. Hufgetrappel begann gar nicht weit hinter ihm. In dem schwachen Licht glaubte er einen Giwan zu sehen, ihren sechsbeinige Urahn, doch so dunkel konnte er seinen Augen nicht trauen.

Er brachte den ganzen Busch an das Feuer und brach nur etwas ab, wenn es nötig war. Außerdem begann er zu frieren und beneidete Jegenda um ihr dichtes Körperfell, leider hatten seine Vorfahren nicht diese nützliche Mutation. Er wickelte sich enger in seine Decke. Nach einer halben Stunde weckte er wie vereinbart Jegenda. Sie wollte nicht aufstehen. Er zwickte sie solange in Mähne, Rücken und Schweif und erst als er die Decke von ihrem schwach behaarten Oberkörper wegzog, kam sie auf ihre vier Hufe. Er gab ihr seine Uhr und zeigte ihr das Holz. Dann legte er sich in die Steppe und deckte sich so gut es ging zu. Immerhin wurde es den Flischen um diese Jahreszeit auch zu kalt.

Es war dämmerig hell, die Sonne war kurz davor aufzugehen, als Kiliß ihn mit seinem rechten Vorderhuf wieder und wieder anstieß. «Aufwachen, los aufstehen, schnell, mach schon!»

«Was ist den das für ein Ton?», knarrte er. «Ist denn der Jigidaß schon fertig?»

«Da ist ein Raumschiff gerade eben gelandet, schnell.»

«Was?» Etwas wacher fügte er hinzu: «Kein Scherz?»

«Nein, dort gleich hinter dem Hügel. Da, die Rauchspur ist noch in der Luft.»

Das war in der Tat seltsam. Vielleicht war es eine Notlandung und sie konnten helfen. «Weck Jegenda, alle sollen mitkommen!» Abrupt stand er auf, schüttelte die Deck von sich. Man, war es kalt! Er weckte Jargos. «Aufstehen, da ist ein Raumschiff gelandet!» Das war der richtige Spruch, er mußte fast zurückspringen, so schnell kam Jargos auf die Hufe.

«Los, ein Frühsprint, Kiliß führt an.»

Sie galoppierten los, den Weg zur Ebene herunter. Hinter der letzten Biegung stand das Schiff, genau vor der Sonne. Es war sehr klein, ein Einmannschiff. Es dampfte in dem Morgenlicht. Kurz davor wurden sie langsamer, als die Tür an der Seite aufschwang und ein längliches Gebilde herunterklappte. Was war das für ein seltsames Schiff?

«Notgelandet ist es wohl kaum.», hörte er sich laut sagen.

«Vielleicht haben sie ja einen Öffner?», bemerkte Kiliß hoffnungsvoll und holte die Kirbasdose aus seiner Satteltasche hervor.

Dann stand eine Gestalt in der Tür. Sie war ganz in weiß und hatte einen Helm auf, vor allem hatte sie aber nur zwei Beine. Er war so überrascht, daß er starr stehenblieb, während die anderen, geführt von Kiliß nähergingen. Kiliß hob die Dose und zeigte darauf und warf sie der Gestalt zu. Diese fing sie auf und machte eine unvollständige Geste.

«Wir brauchen einen Dosenöffner!» brüllte Kiliß. Da erwachte er aus seiner Starre. Schnell galloppierte er zur dem Raumschiff. Kiliß brüllte inzwischen nur noch: ,,Dosenöffner!", bis er sich einmischte. ,,Kiliß, das schrecklich ist unhöflich. Könnten wir bitte Ihren Dosenöffner haben, sagt man».

Die Pause nutzt die Gestalt, um einige verstümmelte Wortfetzen von sich zu geben. Es klang seltsam verzerrt. «Dosenöffner?», war das einzige, was er verstand. Dann verschwand die Gestalt verschwand im Raumschiff und kam kurze Zeit danach wieder zum Vorschein. Sie warf Kiliß die Dose zu und kletterte diese komische Konstruktion herunter. Dann hielt sie ein Gerät hoch und sagte wieder: «Dosenöffner?»

Es war tatsächlich ein Dosenöffner. Während die Jungen sich um das Kirbas balgten, erfuhr er von dem Fremden nach und nach, wie er hieß und woher er kam und versuchte ihnen den Weg zum Raumhafen zu erklären. Zum Abschied schenkte die Gestalt, sie nannte sich Joe Fred Smith, ihnen den Dosenöffner.


Zurück zum Inhaltsverzeichnis oder zur Homepage.