Fallerian von Markus Pristovsek


Wie immer nach einem Sprung erwarteten ihn diese verdammten Kopfschmerzen. «Computer, äh, Blackbeard, Status!»

«Sprungleistung 208 %. Kurs 3,1. Parameter 4,7. Botschaft vor 0034 abgeschickt.»

Alles Ok, er entspannte sich. «Blackbeard, wenn Antwort kommt, melde es sofort!» Damit stand er vorsichtig auf, denn sie bremsten immer noch mit 1,3 und kletterte in seine Kabine herunter. Ntansa schlief noch, obwohl er ihr diesmal nur zwei Pflaster gegeben hatte. Also ging er in die Messe und bereitete sich einen Kmugax vor. Bald, ja bald würden sie in Fallerian sein. Irgendwie würde es schon gutgehen, wenn es noch das Llanaploß gab, ganz bestimmt.

Es dauerte und dauerte. «Blackbeard, was ist mit der Kombüse? Es gibt kein heißes Wasser?»

«Auf Strang 5 ist eine Sicherung heraus. Ich finde den Fehler nicht, schlage jedoch vor, im Ofen Wasser zu erwärmen.»

Er stellte die Kanne in den Ofen und wartete. Der Ofen öffnete sich kurz darauf, und er griff nach der Kanne. Verdammt, war die heiß! Immerhin konnte er endlich den Kmugax aufbrühen.

Noch gut 2000 bis sie endlich an der Station waren. Seine Nachricht sollte jetzt schon angekommen sein. Vermutlich prüften sie erst einmal seine Identität. Er konnte sich das Geraune vorstellen: «He, sag mal Marik, ich meine, war das nicht der kleine Mensch von Llandren?» und so weiter.

Wieder warf er einen Blick in den Kühlschrank, doch er konnte keine dieser Speisen identifizieren. Ntansa hatte zwar die kleinen roten Bälle für essbar erachtet, und das waren sie auch, doch es gab nur noch einen einzigen. Den wollte er jedoch für Ntansa lassen, bei dem Appetit, den die Zentaurin hatte, brauchte sie ihn nötiger als er. Sollte er eines der gelben länglichen Gebilde versuchen?

«Blackbeard, erkennst du den Gegenstand in meiner Hand?»

«Mit 74 % ein Kurtas. Wächst unterirdisch. Stärkehaltig, kann jedoch nur gekocht, gebraten oder gebacken gegessen werden.»

Nach längerem Zögern entschied er sich doch dazu, die rote Frucht zu verzehren. Vielleicht hatte Ntansa nur ihre Lieblingsfrucht als erste genannt. Viel zu schnell war sie aufgegessen.

Er sah wieder bei Ntansa vorbei, setzte sich neben sie auf das Bett. Vorsichtig streichelte er sie, vom Kopf, die Mähne entlang bis zum Schweifansatz. Ihr Schwanz begann daraufhin zu zucken. Unvermittelt langte sie mit ihrer Hand nach hinten aus, um die imaginäre Fliege zu verscheuchen. Statt dessen bekam jedoch Marik eine ordendliche Backpfeife und fiel vom Bett.

Es dauerte einige Momente, bis sie die Situation durchschaut hatte, doch dann richte sich Ntansa auf und half auch Marik wieder hoch. «Es tut mir Leid, es kitzelte so.»

«Die Antwort ist eingetroffen in 2D.» unterbrach der Computer.

«Blackbeard, ich bin sofort im Cockpit. Ntansa, ich bin schuld, ich wusste nicht, dass du kitzlig bist. Jetzt hoffen wir mal, dass da eine gute Nachricht gekommen ist. Ich werde gleich antworten und dir dann alles erklären.» Damit kletterte er die Leiter zum Cockpit wieder hoch. Oben startete er die Aufzeichnung. Sie war recht kurz:

«Hallo Marik, ich erinnere mich. Wir haben Llandren noch nicht ausfindig machen können, werden aber weitersuchen. Bezüglich des Gemüses: Wir werden docken und ich werde mich persönlich um den Zoll kümmern. Ich sehe dich dann auf der Station.»

Der Text war ziemlich neutral, abgesehen davon, das es Fallerianisch war. Wichtiger waren die Klauenzeichen, sie sagten einfach: Gut, Geld? Genau letzteres war das Problem. Immerhin, wenn er es schaffte, eine saubere ID für Ntansa zu bekommen, dann würde er schon irgendwie das Geld dafür auftreiben.

«Blackbeard, haben wir schon eine Genehmigung für Flikkersstation?»

«Seit 1782 auf deren Auflugvektor. Ankunft in 0979»

«Blackbeard, Lebenserhaltung Laderaum wieder hochfahren.»

«Empfang einer weiteren Nachricht. Darstellen?»

«Blackbeard, auf den Schirm.»

Ein Glokcer war auf dem Schirm. «Wir sind über ihre frühe Ankunft sehr erfreut. Leider haben wir deshalb noch nicht alle Formalitäten für das Docking abgeschlossen. Sie haben einen Kurs zur Flikkers gewählt. Uns wäre zwar die Ja'llen lieber gewesen, aber Flikkers ist ebenso gut. Wir werden uns wieder melden, wenn sie auf Flikkers gedockt haben. Alles Gute.»

Ein schlimmer Verdacht wurde bestätigt; es gab nur wenige Rassen, die Menschen genmanipulieren und als Sklaven verkaufen würden. Glokcer waren bestimmt dabei. Sie sahen dabei gar nicht so abstoßend aus; wie gut 90 % der intelligenten Rassen hatten sie weniger als 6 Gliedmaßen, sogar nur vier: Vier Fußhände, die von dem eigentlichen Körper abgingen. Sie hatten zwar an einem Ende einen Kopf, liefen jedoch am liebsten auf allen Vieren. Dieser hier hatte hellgelbes Fell am Torso, die Arme waren mit bunten Ringen geschmückt, die angeblich etwas über den Status aussagen konnten. Leider waren seine Kenntnisse darüber bestenfalls lückenhaft: Bisher musste er sich nie mit ihnen einlassen.

«Ich werde auf Flikkers einige Zeit mit Abschluss von noch offenen Formalitäten verbringen, stehe dann zu ihrer Verfügung.» Freundlicher konnte er es beim besten Willen nicht mehr sagen. Immerhin würde es einige Zeit dauern, bis der Glokcer von Ja'llen nach auf Flikkers kommen würde, so wie die Stationen jetzt standen. Mehr konnte er jetzt nicht tun, also kletterte er wieder in die Kabine. Ntansa lag immer noch auf dem Bett.

«Ntansa?»

«Oh, Marik! Wann werden wir langsamer?»

«Wir bremsen schon die ganze Zeit. Aber in einer halben Stunde werden wir auf Minimalverzögerung gehen, dann wird der Andruck nachlassen. Also, ich habe folgendes arrangiert: Auf Flikkers wird das Schiff eines alten Bekannten andocken, um die Vorräte zu übernehmen. Gleichzeitig wirst du mit diesem Schiff gehen. Er wird sich um alles weitere kümmern, du kannst ihm vertrauen. Ich werde mich in der Zwischenzeit um ein paar andere Sachen kümmern und dann werden wir hoffentlich gemeinsam nach Fallerian heruntergehen.»

«Ich bin dir so dankbar.» Sie zog ihn an sich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er setzte sich zu ihr auf das Bett.

«Danke. Wir sollten wenigsten etwas anzuziehen für dich finden. Ich meine, untenrum ist es Ok, aber allein als um zu zeigen, du bist wer, solltest du irgendetwas anziehen.» Er ging zu dem einzigen Kleiderspind. Nur ein einteiliger Overall und zwei Garnituren Unterwäsche befanden sich drinnen.

Also zog er sich den Overall an und gab ihr sein reichlich durchschwitztes Hemd. Kaum waren sie umgezogen, da ließ der Schub nach. «So, du musst jetzt ganz nach hinten zu zweiten Ausstiegsluke. Das Laderaumschott ist offen, ich hab vorhin schon nachgesehen. Vergiss nicht die Verpflegung aus dem Kühlschrank, sie ist dein Alibi. Wir sehen uns später.»

«Marik!»

Er blieb auf der Leiter stehen. «Ja?»

«Du bist ganz toll. Wenn ich nicht, naja, ich würde dich heiraten!»

«Mich.» Er musste lachen, obwohl ihm gar nicht so zumute war. Sie sah ihn entrüstet an. Schnell verschwand sie außer Sicht im Laderaum.

«Danke!» fügte er leise hinzu. Verdammt, so grob hätte er nicht sein wollen. Dann raffte er sich auf und ging in das Cockpit. So schlecht, wie die letzte Landung von Blackbeard war, würde er das Andocken selbst übernehmen.

Flikkers füllte den Ausblick vor ihm aus! Ach ja, seine Heimat, hier konnte er selbst mit verbundenen Augen andocken, ohne dass ein Wasserglas Wellen zeigen würde. Kaum waren sie drinnen, legte er soviel wie möglich still. Sollte doch die Station bezahlen, wenn sie unbedingt einen beheizten Laderaum inspizieren wollte. Außerdem wurde das Andocken des kleinen Transfermoduls so nicht mehr aufgezeichnet.

Blackbeard brauchte wieder einmal ewig mit dem Atmosphärenausgleich. Eigentlich war es ja ein ganz nettes Schiff, die Primärsysteme waren Ok, Atmosphärenlandungen möglich -- nur war die Software für die Sekundärsysteme das allerletzte: vom Wasserkocher über den Atmosphärenausgleich, dem fehlenden 3D bis zum schlechtesten Autopiloten, den er kannte. Richtig vermissen würde er es nicht.

Endlich öffnete sich das Schott. Er wandte sich an den Uniformierten. In perfekten Flikkersslang erklärte er, ihm wäre die ID-Karte gestohlen worden und er müsse zum Registrationsbüro. Der Uniformierte dachte nur einen kurzen Moment nach: wenn wirklich ein Einwohner Flikkers zur Registration musste, dann hatte er einen guten Grund. Er gab ihm einen blauen Passierschein.

Marik wollte wirklich zur Registration und dort legal eine neue ID-Karte beantragen. Auch. Also dankte er und machte sich schnurstracks auf den Weg. Er blieb auf der Route für blaue Passierscheine, obwohl es ein Umweg war, und er auch jede andere Route nehmen konnte, weil er wusste, wie man die Passierscheinpriorität verändern könnte.

Nichts hatte sich geändert, naja man hatte einmal saubergemacht und der erste Transfer war ein neues Modell. Aber selbst die Hinweisschilder waren noch unleserlicher und überkritzelter. Der Weg zur Registratur führte über den Markt von Flikkers, den offiziellen. Ah, er atmete tief ein, welcher Duft. Leider besaß er nicht einen Credit, so konnte er nur kurz bleiben.

Die Registratur hatte er viermal von innen gesehen: Einmal, als er seine ID abholte, zweimal bei kleinen Straftaten und beim letzten Mal hatte er seine C3-Lizenz abgeholt. Das war alles mindestens drei fallerianische Jahre her. Alle armen Schweine, die früher hier Dienst taten, waren befördert worden, niemand erinnerte sich an ihn. Vielleicht war es ganz gut so.

Erst erzählte er von der gestohlenen ID-Karte, danach dass man ihn zu diesem Flug gezwungen hatte. Der Beamte blieb einigermaßen gefasst. Dann wollte er bei der Gelegenheit C4 auf seine Lizenz eintragen lassen.

«Und die Gogols?» wollte sein Gegenüber wissen.

«Greifen sie doch auf den Stand von Ribbentoa-Station zurück. Dazu noch die Gogol hierher, dazu habe ich als Beweis das Schiffslog mit.»

Er steckte die Karte in den Leser. Ein flackerndes Lämpchen zeigte hektische Betriebsamkeit an. Auf dem schmutzigen Bildschirm drehte ein Bichllon gelangweilt Loopings. Endlich verschwand er. Es begann mit den Scan des Laderaumes. Die Zentauren wirkten wie Leichen. Zum Glück bemerkte kurz darauf Blackbeard: «Bestätige, nur 33 Lebensformen im Infrarot auszumachen. Wir könnten einen Funkscan machen. Zentaur Ntansa #748956# fehlt.»

Der Beamte stoppte die Aufzeichnung. «Sklaven?» fragte er mit unerschütterlicher Miene. Leider kannte Marik jedoch die sehr feine Mimik der Fallerianer: Dieser hier stand kurz davor, ihn zu töten.

«Ja, unter Zwang. Ich würde gerne helfen, die Hintermänner zu schnappen. Die verschwundene Zentaurin habe ich hergeschmuggelt. Soll ich sie holen, sie wird meine Angaben bestätigen können.»

Der Beamte hatte aufgehört, Luft zu holen. Er trat vorsichtig einen Schritt zurück. «Was sollte ich tun? Sie wachte unterwegs auf, ich konnte sie doch nicht an die Sklaven verkaufen. Die Schweine hatten mir nicht genug Treibstoff, Sauerstoff und Verpflegung gegeben, um mit allen hierherzufliegen. Was hätte ich tun sollen? Ich hatte nur eine Freigabe nach Fallerian und keine Reserven, direkt dorthin zu gelangen!»

Endlich sah er eine Spur Verständnis auf dem Gesicht des Beamten. «Holen sie den Zentaur her!»

Er reagierte nicht auf den letzten Satz: «Vielleicht könnten sie die Kommunikation zum Schiff belauschen, ein Glokcer von Ja'llen ist mein hiesiger Kontaktmann, so scheint es. Er will hierher kommen. Vielleicht können wir allen das Handwerk legen.»

Der Beamte tippte ein paar Tasten auf der sichtgeschützten Tastatur und wechselte abrupt das Thema: «Sie sind hier geboren?»

«Natürlich. Mein Vater, also nicht mein echter, war Llandren, er hat mir Springen beigebracht, ich habe so lange gebüffelt, bis ich eine C3-Lizenz hatte. Mir tun dir armen Schweine Leid, die ich da abliefern sollte, ich hatte wirklich keine Wahl.»

Einen Augenblick sah der Beamte geistesabwesend in die Luft. Dann sprach er wieder: «Wir brauchen die Zentaurin. Falls ihre Geschichte stimmt, wird es mir eine Freude sein, diesen Glokcer und seine ganze Bande zu eliminieren und diese Gesellschaft auf immer von fallerianischem Gebiet zu verbannen. Gehen sie auf ihr Schiff zurück!»

«Verzeihung, könnten sie mir etwas zu essen bringen? Ohne ID kann ich mir nichts kaufen.»

«Zweimal Krantaz werden geliefert. Jetzt machen sie schon. Was denn noch?»

«Kann ich wenigstens eine vorübergehende ID kriegen?»

Er sah wie die Atmung des Beamten wieder langsamer wurde.

«Es muss ja nichts überstürzt werden. Ich werde mich vom Schiff aus melden.» Rückwärts verbeugend und sich umdrehend wich er zurück. Schleunigst verließ er wieder die Registratur -- ohne ID.

Die Manipulation des Passierscheines vom Hinweg war beendet, bevor der Fahrstuhl zum zweiten Mal nach dem Ziel gefragt hatte. Der Fahlstuhl hielt auf der Ebene über den Docks. Er schlenderte los, um seine Spuren ein wenig zu verwischen. Wenn man eine Person im Gewimmel verlieren konnte, dann hier. Frisch angekommene Fische (so hießen die Neuankömmling von unten), Händler und Mannschaften wirbelten durcheinander, auf der Suche nach Essen, Trinken und Sex oder auch nur nach sehr brauchbaren Gegenständen.

Dreiviertel waren Fallerian, es kam ihn zupass. Ihre Körper überragten den seinen um einen halbe Körperlänge. Ortsfremde trugen deshalb kleine Blitzgeräte, damit sie nicht umgerempelt wurden, doch er nutzte es geschickt und entging so der Kameraüberwachung. Ja sogar zwischen den Sektoren konnte er auf diese Art ohne ID wechseln.


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