Bild Schrödingers

* 12. August 1887
+ 4. Januar 1961

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ERWIN SCHRÖDINGER - Eine Lektüre
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SCHRÖDINGERS ODYSSEE

Die Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 war für Deutschland nicht nur in politischer, sondern auch in wissenschaftlicher Hinsicht ein Wendepunkt. In den ersten Wochen des Naziregimes wurden tausende Gelehrte infolge politscher und rassischer Verfolgung aus ihren Ämtern entlassen; die Naturwissenschaften verloren bis 1935 nahezu jeden fünften Wissenschaftler und Deutschland somit seine internationale Spitzenstellung. Die Zerschlagung Berlins als physikalische Hochburg einerseits, eine zutiefst bürgerlich-humanistische und antifaschistische Grundhaltung Schrödingers andererseits veranlaßten Schrödinger zur Emigration.

Der Weggang ins Exil war bereits nach Hitlers Machtantritt vorbereitet worden. Zu jener Zeit bereiste der englische Physiker Lindemann, der später als Lord Cherwell und Vater des anglo-amerikanischen Bombenkrieges in die Weltgeschichte eingegangen ist, Deutschland, um aus ihren Ämtern vertriebene Gelehrte für England und insbesondere für seine Oxforder Heimatuniversität zu gewinnen. Nachdem Schrödinger andeutete, Berlin unter den gegebenen politischen Umständen zu verlassen, wurde ihm von Lindemann ein Posten in Oxford angeboten. Er beantragte die Gewähr eines Srudienurlaubs und reiste nach Ende des Sommersemesters nach Südtirol, kehrte von dort aus nicht mehr nach Berlin zurück.

Erwin Schrödinger und seine Frau trafen im Oktober in Oxford ein, und unmittelbar nach ihnen die Nachricht, daß Schrödinger und Paul Adrien Maurice Dirac der Nobelpreis für Physik des Jahres 1933 - "[...] in Anerkennung der Entdeckung und Anwendung neuer fruchtbarer Formulierungen der Atomtheorie [...] (Q4-27)" - zugesprochen worden war, womit an der höchsten Auszeichnung, die ein Wissenschaftler erhalten kann und am Höhepunkt seines Weltruhms anlangte.

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Ankunft der Physik-Nobelpreisträger in Stockholm - v. l. n. r.: Frau Heisenberg, Mutter Heisenbergs, Frau Dirac, Frau Schrödinger, P. A. M. Dirac, Werner Heisenberg und Erwin Schrödinger (Q4)

Er blieb drei Jahre dort am Magdalen-College, wobei ihm als "Fellow" keine Lehrverpflichtungen auferlegt waren.

Schrödinger wollte sich nie mit der Atmosphäre eines englischen Colleges anfreunden, und sein Heimweh bestärkte ihn umso mehr, zum Herbstsemester 1936 an die Universität Graz zu gehen. Außerdem wurde ihm hier das Recht eingeräumt, als Honorarprofessor Vorlesungen an der Universität Wien zu halten. Nach Anschluß Österreichs an Hitlerdeutschland im Jahre 1938 wurde Schrödinger aber frist- und pensionslos aus dem Grazer Ordinariat entlassen, wonach er fluchtartig das Land in Richtung Rom verließ.

Schrödinger hatte in dieser Zeit bereits weitreichende Kontakte im Ausland, u.a. auch zu

Eamon de Valera, dem irischen Ministerpräsidenten, der schon hier plante, ein Forschungsinstitut im Stile des Princetoner "Institute for Advanced Study" aufzubauen und dafür Erwin Schrödinger gewinnen wollte.

De Valera gehörte zu den führenden und kompromißlosesten Vertretern der irischen Unabhängigkeitsbewegung, prägte später als Ministerpräsident, ab 1959 als Staatsoberhaupt die Politik Irlands. Zum Zeitpunkt Schrödingers Flucht bekleidete er das Amt des Völkerbundspräsidenten. Hierin lag die Möglichkeit, Annemarie und Erwin Schrödinger relativ problemlos in die Schweiz zu bringen, nämlich mit Hilfe von De Valeras Reisevisa.

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Aber der Aufenthalt hier sollte nur von kurzer Dauer sein, da durch die Sudetenkrise und die damit zusammenhängende Kriegsgefahr in Europa eine Weiterreise nach England unabwendbar schien - ein drittes wollten sie sich nicht von Hitlers Terror einholen lassen. So kehrten Schrödingers im Herbst 1938 - nach zwei Jahren Abwesenheit - wieder nach Oxford zurück.

E. Schrödinger (Q7)

Die Gründung des Instituts trieb de Valera mit aller Kraft voran. Um die Zeit bis dessen Eröffnung zu Überbrücken, nahm Schrödinger die Einladung für eine Gastprofessur der Francqui Foundation Gent in Belgien an und verließ kurzerhand einmal mehr die britischen Inseln. Doch auch in Gent konnte er nur kurze Zeit bleiben, denn im September 1939 brach der zweite Weltkrieg aus; als Emigrant drohten ihm nun Ausweisung, Internierung oder andere Repressalien. Durch persönliche Intervention de Valeras konnte auch diesmal das Schlimmste vereitelt werden: Schrödinger erhielt vom Irish High Commissioner in Großbritannien einen Schutzbrief ausgestellt, mit dem er aucch als "feindlicher Ausländer" - durch den Anschluß Österreichs war er deutscher Staatsbürger geworden - England passieren konnte.

Schrödingers Odyssee endete am 07. Oktober 1939 mit der Ankunft in Dublin.

Die politischen Umstände der 30er Jahre hatten einen erkennbar großen Einfluß auf das Leben Erwin Schrödingers, denn sein wissenschaftliches Schaffen war nicht durch eine herausragende Arbeit gekennzeichnet. Zwar hatte er sich an der Ausgestaltung der Quantentheorie beteiligt und begonnen, den Zusammenhang von Quantentheorie und Relativitätstheorie (im Sinne des Einsteinschen Konzepts einer einheitlichen Feldtheorie) auszuarbeiten, doch ist er nicht über Ansätze hinausgekommen. Im Grunde gilt das auch für seine Studien über eine fünfdimensionale Darstellung der Relativitätstheorie und seine Untersuchungen zur Supraleitfähigkeit und zur Kosmologie. An die Leistungen seiner Züricher und Berliner Zeit reichen sie nicht mehr heran.

© Mike Friedrich and Daniel Schmidt

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